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22 Apr
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Pirker ist sauer

Sie hat einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen – Die Corona-Medienhilfe.

Erst hat man die Wochen- und Monatszeitschriften überhaupt vergessen, dann die ohnehin größten Medienhäuser – abgesehen vom ORF – üppig bedacht. Schon damals machte sich Unmut breit. Einerseits war man froh, überhaupt etwas zu erhalten, andererseits gab es Kopfschütteln über die Förderkriterien. Von denen das Wichtigste die Druckauflage des Vorjahres ist.
Nicht nur Falter-Chef Armin Thurnher oder Standard-Chefredakteur Martin Kotynek begehrten darob auf. Auch etwa Medienwissenschaftler Matthias Karmasin, die Presseclubs oder die Gewerkschaft stellten die Förderkriterien in Frage.
Nun folgt mit etwas Verspätung Horst Pirker. Er versucht seit seinem Antritt, die Verlagsgruppe News zu konsolidieren. Und die gleichnamige Zeitschrift zu halten. Da kam das Coronavirus zum ungünstigsten Augenblick. Sicherlich nicht unglücklich über die Medienhilfe, wird sie wohl kaum ausreichen. Noch dazu, wo sie die Ungleichheiten am Markt festschreibt. Der VGN-Chef sah sich daher veranlasst, einen Offenen Brief an den Bundeskanzler, den er offenbar als Hauptinitiator dieser Ausgestaltung der Hilfe identifizierte, zu formulieren. Und hält dabei einmal nicht mit Kritik am „Mitbewerb“ hinterm Berg. Hier der Brief im Wortlaut:


Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,


ich habe mir lange überlegt, ob ich Ihnen schreibe. Ob es die Mühe wert ist. Ja, denke ich mir, die Hoffnung lebt immer. Sie, die Hoffnung, brennt sicher nicht mehr, aber es ist noch etwas da, von der Glut.
Es ist Corona, zurzeit. Corona überstrahlt alles oder, besser, nimmt allem den Glanz. Außer Ihnen, Herr Bundeskanzler. Corona ist zunächst einmal gut zu Ihnen, ja verleiht Ihnen sogar Glanz, weil Sie es eben ziemlich gut gemacht haben, bisher.
Ich will Ihnen aber nicht einen Brief über Corona schreiben, Herr Bundeskanzler, sondern einen Brief über die Politik, an deren Spitze Sie einmal mehr stehen, und die Medien, die ich über Jahrzehnte mitgestalten durfte und darf. Also schreibe ich über Medienpolitik. Österreichische Medienpolitik.
Weil es reicht. Weil man wieder einmal sagen muss, was viele wissen und kaum mehr jemand sagen will, in diesem Land. Weil viele einfach aufgegeben haben, weil manche es sich wirtschaftlich wenigstens einigermaßen gerichtet haben, weil andere schlicht Angst haben vor den Konsequenzen.
Hätte man wenig Zeit, würde man einem Interessierten die österreichische Medienlandschaft – vereinfacht – so erklären:
Es gibt den ORF, der alleine ungefähr so groß ist, wie alle anderen Medien zusammen, vor allem, weil er – auf gesetzlicher Basis – 700 Millionen Euro an Gebühren zugewiesen erhält. Das nennt man öffentlich-rechtlich. Die jeweils regierenden Parteien – das liegt an der Konstruktion – stellen dem ORF gegenüber mehr oder weniger dezidierte inhaltliche Ansprüche, mit mehr oder weniger Erfolg. In den letzten Jahren eher mit weniger Erfolg, jetzt aktuell – wohl angesichts der Corona-Krise – mit geradezu überschießendem Erfolg.
Dann gibt es die private ProsiebenSat1Puls4-Gruppe, die bundesdeutsche Programme vor allem um österreichische Werbung anreichert aber inzwischen auch ambitioniert (und – mit Recht – spürbar gefördert) selbständige österreichische Programme anbietet, in Summe eine Bereicherung.
Die Printmedien – natürlich längst ergänzt um digitale Plattformen – werden von zwei Familien dominiert, dem Ehepaar Dichand, dessen Einfluss die in die Jahre gekommene Boulevardzeitung Kronen Zeitung grundgelegt hat und der später durch die Gratiszeitung Heute verstärkt wurde und den Brüdern Fellner, die mit Magazinen groß geworden sind, die letzten mehr als 10 Jahre aber unter der Marke Österreich, bzw. oe24 mit sichtlicher Konzentration auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen auch Boulevard betreiben.
Und da bietet sich eine wunderbare Symbiose oder, wie man heutzutage sagt, ein „win-win-game“ an: Der Boulevard wird nicht nur (1) – auf gesetzlicher Basis – mit Presseförderung der Republik Österreich und (2) viel üppiger – freihändig von den Ministerien vergeben – mit Millionen für Anzeigen gefüttert, sondern jetzt auch noch (3) mit – zusätzlichen – Millionen aus der Corona-Förderung.
Eva Dichand habe Sie, sagen Menschen, die es wissen sollten, mit ihrem bekannt beharrlichen wie imperativen Charme überzeugt und weil Sie ja wissen, Herr Bundeskanzler, dass Wolfgang Fellner über ein, zwar ganz anders angelegtes, aber ähnlich wirksames imperatives Repertoire verfügt, wurde auch der zweite Verleger von Quantitätsmedien üppigst bedacht. „Koste es, was es wolle“, war ja als Überschrift schon auf der Welt.
Die anderen Medien, die es ja auch noch gibt – Qualitätsmedien zum Beispiel – sollten und sollen mit mehr oder weniger symbolischen Beiträgen sediert werden und das scheint auch weitgehend zu gelingen. Soweit alles gut gegangen. Nur der Standard und der Falter haben aufbegehrt und begehren auf. Und jetzt eben wir. Die Konsequenz, um nicht Strafe zu sagen, wird wohl folgen; wir kennen das.
Sie halten das alles leicht aus, Herr Bundeskanzler, solange Sie das Virus, dessen wirtschaftliche Folgen, den ORF, die Dichands und die Fellners in Griff haben.
Aber vielleicht – die Hoffnung lebt, wie eingangs beschrieben, immer – haben Sie ja auch einen Anspruch vor der Geschichte dieses Landes , nämlich, unter anderem, auch faire Bedingungen für Medienvielfalt zu schaffen und nicht – bequem – die Marktverzerrungen, die fatalen Ungerechtigkeiten, zu zementieren oder – wozu Sie sich hinreißen haben lassen – gar zu vertiefen.

Bleiben Sie gesund!
Ihr

Horst Pirker