Marcello Demner und Jacky Hamid forcieren das Thema Diversität Marcello Demner und Jacky Hamid forcieren das Thema Diversität DMB.
06 Nov
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Gesellschafts-Themen proaktiv aufgreifen

Sie bewegte in diesem Sommer nicht nur die USA. Die Black Lives Matter-Initiative fand auch in Europa starken Widerhall.

Ausgehend davon wurde das Thema Diversität in der gesellschaftlichen Diskussion in den Vordergrund gerückt. In den USA mit Konsequenzen bei Führungspositionen in vielen Unternehmen. Von Markenartiklern bis Agenturen. In Österreich sei das Thema im Diskurs gerade erst angekommen. Doch es werde diesen im Gegensatz zu Corona nicht so schnell wieder verlassen, ist Marcello Demner, New Business Manager bei DMB., überzeugt. Im Gegenteil werde es einen ähnlichen Stellenwert wie der Klimawandel gewinnen. Also rückte er, gemeinsam mit DMB.-Strategic Planner Jacky Hamid, das Thema aufs Tableau des ersten DMB Impact Talks. Was die Beiden dazu bewegte und warum sie der Meinung sind, dass Agenturen auch handeln müssten, erläuterten sie im Gespräch mit BranchenBlatt.

BranchenBlatt: Ausgelöst durch die Black Lives Matter-Bewegung hat das Thema Diversität die USA mit einer ungeahnten Wucht erfasst. Nicht nur Firmen, auch Agenturen mussten sich fragen lassen, wie sie es denn mit der Vertretung von Minderheiten halten. Und viele mussten tätig werden. In Österreich werden jetzt nicht so viele Menschen von der Polizei erschossen. Warum glauben Sie, dass das Thema hierzulande und jetzt noch eine Rolle spielt?
Jacky Hamid: Rassismus und Diskriminierung gehen uns alle etwas an.
Das ist keineswegs ein Minderheitenproblem, sondern leider immer noch Teil unseres Alltags und unserer Gesellschaft. Immerhin gibt fast jeder Zweite an, bereits eine schlechtere Behandlung aufgrund von Geschlecht, Familienstand, Alter, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Beeinträchtigung oder sozialer Stellung erfahren zu haben. Der Anteil unter Personen mit Migrationshintergrund, muslimischer Religionszugehörigkeit oder Personen aus der LGBTQ-Community steigt ermesslich. Es gibt also eindeutig Handlungsbedarf. BLM hat dem Ganzen ein neues Momentum gegeben.
Marcello Demner: Die BLM-Bewegung hat auch hierzulande eines bewirkt: einen eindrucksvollen Protest gegen die Unterrepräsentation von Minderheiten aller Art. Die Frage, die sich unserer Gesellschaft stellt ist – wer sind diese Minderheiten und wie werden sie wahrgenommen? Was bedeutet es heute, Österreicher*in oder Wiener*in zu sein? 8 Prozent von uns sind Muslime, fast 24 Prozent haben Migrationsbackground, 16 Prozent sind schlicht Staatsbürger anderer Länder. Wenn die Frage der Diversität eine ist, dann eine, die nicht beantwortet ist. Hingegen geben 73 Prozent der PoC (People of Color) an, sie hätten verschiedene Arten von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung am Arbeitsplatz erfahren – Höchste Zeit uns Antworten zu suchen.

BB: Wie müssen Agenturen Ihrer Meinung nach reagieren?
Demner: Die Agenturen sollten immer proaktiv auf alle Bewegungen in der Gesellschaft reagieren. Agenturen sitzen mit an den Schaltstellen, die bewirken, wie die Wahrnehmung der Gesellschaft in den Mediakanälen aussieht – sie sollten daher agieren.
Hamid: Als Kreativagentur sind wir mitverantwortlich für die in den Medien portraitierte Gesellschaft und die nicht ausreichend abgebildete Diversität. Denn auch Werbung schafft Ideale und Identifikationsfiguren. Das macht uns zum Teil des Problems, aber auch zum Teil der Lösung. Wir sehen es daher als unsere Aufgabe, dieses Bild künftig verstärkt zu hinterfragen und unseren Output so zu formen, dass Österreich medial diverser wird. Damit wir das gewährleisten, werden wir das Herzstück unserer Arbeit, das Behavioral Brief (strategische Arbeitsgrundlage), verändern. Ab sofort integrieren wir einen weiteren Prüfstein in unser Briefingtool. Eine Frage, die schon ganz zu Beginn des Prozesses die diverse Ausrichtung unserer Arbeit challenged und uns erinnert, welche gesellschaftliche Aufgabe wir haben: Wie trägt die Kommunikation zu einer diversen und modernen Darstellung/Ansprache der Gesellschaft bei?

BB: Würden Kunden hierzulande ihrer Meinung nach tatsächlich Agenturen ablehnen, die sich dem Thema Diversität verweigern?

Demner: Ich glaube nicht, dass wir genug Wissen haben, um diese Antwort geben zu können. Wir hoffen, dass sie es tun.
Hamid: Das können wir, im Sinne der so dringend notwendigen Veränderung, nur hoffen.

BB: Auf Kundenseite ist das ja vielleicht ein bisschen anders, denn die bekommen es zu spüren. Der Mohrenkopf ist noch in Erinnerung, das Mohrenbräu hat es auch in der aktuellen Diskussion wieder erwischt. Hätte man da nicht schon vorher umbenennen sollen?
Hamid: Die Mohrenbräu Diskussion drehte sich vorrangig um das Logo, bzw. um dessen Zusammenspiel mit dem Namen, der sich auf den Gründer bezieht. Der Einsatz einer klischeehaften Karikatur einer schwarzen Person als Markenikone ist problematisch und entspricht nicht den Wertevorstellungen unserer Zeit. Da hätte mit Sicherheit früher reagiert und vor allem verstanden werden müssen. Rassismus hier abzuweisen und sich auf Traditionen aus dem 19. Jahrhundert zu berufen ist doch der Beweis für strukturellen Rassismus.

BB: Am internationalen Markt wird Diversität wohl in Zukunft eine größere Rolle spielen. Wie können damit kleine Player umgehen, die eventuell einen anrüchigen aber alten Namen tragen und plötzlich von einem internationalen Shitstorm überrollt werden?
Hamid: Zuhören, lernen, Verantwortung übernehmen und dann handeln. Ein konstruktiver Dialog ist unerlässlich.
Demner: Gehen Sie mit der Zeit, begreifen Sie die Veränderung, kleben Sie nicht an rassistischen Namen.

BB: Wie ist denn überhaupt da der Beratungsaufwand bei den Kunden? Ist man sich der Bedeutung von Diversität bewusst?
Demner: Immer mehr Unternehmen haben verstanden, dass sie, um funktionsfähig zu bleiben, auch relevant bleiben müssen. Aus diesem Grund sind Nachhaltigkeit, Vielfalt und Gewissenhaftigkeit zu Themen geworden, mit denen sie sich stärker auseinandersetzen.
Hamid: Als Agentur hat man aber trotz des erhöhten Bewusstseins die Aufgabe, diese Themen immer wieder proaktiv anzusprechen und Lösungen zu finden.

BB: Ein Problem ist ja, dass Diversität in einzelnen Regionen andere Zusammenhänge haben kann. Und das geht weniger nach Kontinenten als auch in Europa schon nach Regionen. Auf was muss man da achten?
Demner: Halten Sie sich an Fakten, nicht an Klischees. Man wäre überrascht von den tatsächlichen Zahlen und davon, wie irreführend Teile der Medienlandschaft die Gesellschaft als Ganzes widerspiegeln.

BB: Die Findung von neutralen Namen – ist das für Agenturen jetzt auch ein Geschäft?
Hamid: Das ist kein neues oder eigenes Geschäftsmodell. Gute und Marken- und Kommunikationsberatung reflektiert immer das Zeitgeschehen und einen entsprechenden Wertewandel.

BB: Was war der Anstoß für Sie, sich ausgerechnet jetzt mit dem Thema zu beschäftigen?
Demner: Wir haben vor längerer Zeit beschlossen, die Reihe DMB. IMPACT TALK zu starten – die Frage nach dem ersten Thema war klar, als BLM auf Österreich stieß. Es war ein Thema, das wir tiefer auslosten wollten. Die Idee dabei ist einfach, dass DMB. die Plattform für dieses Lernen bietet. Wir haben die Pro's, die die Keynotes liefern, und das Panel, das uns darüber berichten kann.

BB: Inwiefern betrifft das Ihre Agentur?
Hamid: Diversität liegt in der DNA der Agentur. Wir wollen nun auch nach außen tragen, woran wir glauben und was wir innen schon lange leben.
Demner: Auch deshalb haben wir beschlossen eine diesbezügliche Frage in unser Briefingdokument aufzunehmen.

BB: Meinen Sie, dass das Thema im Frühjahr, wenn die Coronazahlen nun deutlich steigen und dann bis Mai wieder sinken, überhaupt noch diskutiert wird?
Demner: Ich denke, wir stehen gerade erst am Anfang.
Hamid: Dem kann ich nur zustimmen. 2020 und die BLM Bewegung hat uns gelehrt nicht länger wegzuschauen, Veränderung zu fordern und zu leben.