News mit Personality Screenshot ORF
06 Okt
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News mit Personality

Umbruch – das gilt nicht nur wegen Corona, sondern das gilt auch für den ORF. Man sucht die junge Zielgruppe.

Anlässlich der Veröffentlichung des Public Value-Berichtes versammelte der Beauftragte des Hauses, Klaus Unterberger, verschiedene Gesprächsrunden. Die erste basiert auf einer Studie, die Mark Eisenegger in der Schweiz durchführte. Der stellte fest, dass die News-Deprivation laufend zunehme. Das heißt, der Anteil der Bevölkerung, der unzureichend mit Nachrichten versorgt wird oder diese aktiv verweigert. Lag dieser Anteil 2009 noch bei 21 Prozent, so sind es nun bereits 37 Prozent. Eisenegger fand auch heraus, dass Nachrichtenverweigerer in einer bedrohlicheren Welt leben, eher zu Politikverdrossenheit neigen und das Vertrauen zu den demokratischen Institutionen in dieser Gruppe geringer ist.
Sein Kollege Thomas Steinmauer von der Universität Salzburg kann diesen Befund auch für Österreich nachvollziehen. Der Anteil der Nachrichtenverweigerer liege hier bei rund 30 Prozent. Für die junge Zielgruppe sei die Definition Nachrichtenverweigerer nicht unbedingt die passende, meinte Susanne Hofer von der Österreichischen Gewerkschaftsjugend. Denn die hole sich ihre Nachrichten schon. Allerdings nicht über die klassischen Kanäle, sondern über Social Media oder im Internet. Hier müssten Qualitätsmedien einen anderen Zugang finden, um die Jugend anzusprechen.
Und damit war man beim Thema. Schließlich ist es erklärtes Ziel des ORF, die derzeit geltenden gesetzlichen Beschränkungen zu überwinden und sich auf diversen Plattformen den diversen Zielgruppen zuwenden zu können. Daran arbeitet man bereits, bestätigt Irina Oberguggenberger vom ORF 1-Channel Management. Wichtig dabei, so ihr Credo: Man müsse für jeden Kanal und jede Zielgruppe produzieren. Und nicht einfach einen Beitrag aus dem TV online abspielen. Klar stellte sie jedenfalls, dass die Zielgruppen nur dann erreicht werden könnten, wenn die regulatorischen Schranken fielen. Man hat sich auch schon überlegt, wie man an die Jungen heranrücken könnte: Glaubwürdige Personen, heißt das Zauberwort. So könnte etwa ein beliebter Showmaster das junge Publikum zu den Nachrichten mitnehmen, wenn er diese auch moderiere, legte Oberguggenberger ihre Überlegungen dar. Und verwies dabei auf Fanny Stapf, die im ORF die Freistunde moderierte. Sie funktioniere auch in den Social Medien sehr gut.
Für ihren Vorstoß bekam Oberguggenberger jedenfalls Zustimmung von ihren Mitdiskutanten. Steinmauer monierte, dass die Regulierung mit der Entwicklung nicht Schritt halte. Sie sei zudem auf Marktabgrenzung ausgerichtet. Und die müsse nun wohl überwunden werden. Für den ORF Player gibt es ja auch Angebote, vor allem an die Printverlage. Die Idee, in den Player auch Sendungen der privaten Stationen zu integrieren, kam beim ORF jedenfalls bisher nicht so gut an. Da gilt sie noch, die Marktabgrenzung.

 

 

 

Auch die zweite Runde suchte nach einem Weg zur Jugend. Deprimierendes gab es da zuerst einmal von Beate Großegger, Institut für Jugendkulturforschung. Nur 25 Prozent der Jungen verfolgen tagesaktuelle News. 25 Prozent kommen noch einmal bei Wahlen hinzu. 50 Prozent aber sind ganz einfach politikverdrossen. Schuld daran: Die Politiker. Da sei zu viel Inszenierung drin, da werde zu viel gelogen. Nicht so sehr kritisiert werden die Politikjournalisten. Ihnen wirft man nur vor, sich mehr an die Politiker heran zu schmeissen und weniger an die Anliegen der Jugend zu denken.
Wenig Ermutigendes hatte auch Thomas Baekdael von Baekdael Media zu berichten. In einem Selbstversuch verweigerte der einen Monat lang Nachrichten. Und nahm davon zwei Erkenntnisse mit: Die Relevanz fehlte. Und: Ohne die deprimierenden Nachrichten am Vormittag ging es seinem Gemüt bereits nach einer Woche besser. Daraus leitet er unter anderem ab: Offensichtlich fehle noch die Qualität in der Berichterstattung. Dafür gäbe es reichlich Quantität, die oft in Wiederholung ausarte, ohne neue Erkenntnisse zu liefern. Aber zur Informationsflut beiträgt. Und letztlich auch dazu führt, dass sich gerade Junge wieder abwenden. Um sie zu erreichen, fordert Patrick Swanson, Chef der ZiB 100, so wie Oberguggenberger eine Digitalisierungsoffensive des ORF. In einem ist er jedenfalls radikaler als seine Kollegin: Er fordert die Digitalisierungsoffensive jetzt. Heißt: Das ORF-Gesetz müsse so schnell wie möglich angepasst werden. Aber er pocht auch noch auf einen zweiten Schritt: Man müsse auch im ORF wieder Geld in die Hand nehmen. Sonst sei es aussichtslos, als Vierer-Team gegen die Horde von PR-Spezialisten etwa im Kanzleramt anzugehen. Und aus diesen die für die Jugend interessanten Nachrichten heraus zu kitzeln. Für sein Anliegen sieht es allerdings, zumindest nach den letzten Äußerungen des ORF-Chefs Alexander Wrabetz, schlecht aus.