Die Erinnerung ist ein Hund Archiv
11 Nov
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Die Erinnerung ist ein Hund

Langsam muss man sich Sorgen um Wolfgang Fellner machen: Kann man denn noch Medien machen, wenn das Gedächtnis so gemein auslässt wie heute vor dem Strafgericht in der Verhandlung um Katia Wagners Klage wegen übler Nachrede?

Es muss, wenn man den Bericht im Standard-Medienportal etat.at  Glauben schenkt, eine geile Verhandlung gewesen. Wie Sie dabei das Wort „geil“ auslegen, ist Ihrem Ermessen, werte Leser*innen, überlassen. Es ging jedenfalls um die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen einer attraktiven Journalistin und einem vornehmlich im physischen Sinn gewichtigen alten Mann, der ein großes und groß mit öffentlichen Mitteln subventioniertes Medienimperium befehligt. Katia Wagner hatte Wolfgang Fellner geklagt, weil er ihre Aussagen im Standard  oder bei Puls 24, er habe sie drangsaliert und sexuell belästigt, als „frei erfunden“ diffamiert hatte.

Die heutige Verhandlung hat drei Vorgeschichten:

1. Vorwürfe sexueller Belästigung, der Nötigung, Begrapschung usw. ad infinitum erheben neben Wagner mehrere ehemalige weibliche Arbeitnehmer bei Fellner. Am weitesten in die Offensive ging (neben Wagner) bislang Rafaela Scharf, wie Wagner ehemalige Moderatorin bei Fellners TV-Sender oe24TV und heute Moderatorin bei Krone TV. Fellner hat sie auf Unterlassung der Behauptung, er habe sie bei einem Foto-Shooting unsittlich begrapscht, geklagt. Unlängst ist am Arbeitsgericht das Urteil in erster Instanz ausgesprochen worden: Scharf wurde freigesprochen, da nicht beweisbar ist, dass sie nicht wirklich begrapscht worden ist - Fellner ging in Berufung.
Bekannt - und dokumentiert - ist, dass Fellner Scharf während einer laufenden Moderation aus dem Studio holen ließ und beschimpfte: „Du siehst aus wie ein Nutte“.
2. Im Oktober dieses Jahres wurde Fellner rechtskräftig zu einer Zahlung von 43.500 Euro an Wagner verurteilt, weil in der Mediengruppe oe24/Österreich wiederholt insinuiert worden war, Wagner sei in die Herstellung des Ibiza-Videos verwickelt gewesen.
3. Vor kurzem ist oe24/Österreich vom Presserat gerügt worden, weil die Mediengruppe Wagner mit Behauptungen, die Journalistin habe sich Fellner angedient und ihm „Liebesbriefe“ geschrieben, verächtlich gemacht hat.

Und heute lief also die Verhandlung wegen Wagners Klage, die beim beklagten Verleger besagte schockierende Gedächtnislücken offenbarte.
Übrigens soll an dieser Stelle an ein bezeichnendes, irgendwie in der öffentlichen Debatte untergegangenes Detail der Causa Fellner - Scharf erinnert werden: Da hatte Fellner zunächst auch kategorisch abgestritten, zu Scharf je gesagt zu haben, sie sehe (ganz nebenbei: in der von ihm selbst angeordneten Sender-Aufmachung) aus wie eine Nutte. Bis ein Tonbandprotokoll bewies, das er das sehr wohl gesagt hatte.
Beim Verfahren mit Wagner ging es um ein Abendessen - siehe dazu auch hier. In beiden Fällen hatte Fellner - das darf man schreiben - die Moderatorin mit Zudringlichkeiten und sexuellen Avancen bedrängt.
Das stritt Fellner nicht nur in der Öffentlichkeit ab, sondern auch vor Gericht. Bevor aber Wagners Anwalt Michael Rami einen Bandmitschnitt von Autofahrt und Abendessen zur öffentlichen Anhörung vorlegte, zog es Fellner vor, sich schuldig zu bekennen. Er habe sich einfach nicht erinnern können, was er so alles zu Wagner gesagt hat. Bevor Rami mit dem Band kam - dessen Echtheit Fellner und seine Anwälte nicht in Abrede stellten - hatte Fellner gar viele Dinge kategorisch ausgeschlossen:
„Völlig undenkbar“ sei , dass er Wagner vorgeschlagen habe, ihr Kleid aufzuzippen, um festzustellen, ob es von Chanel sei.
„Bei keinem einzigen Abendessen“ habe er Wagner gesagt, dass er sie sie liebe (es sei ja geradewegs andersrum gewesen, remember Presserat-Rüge?)
„Sicher nie und „unter Garantie nie“ habe er Wagner in Aussicht gestellt, sie in den Schwitzkasten zu nehmen.
„Völlig falsch und frei erfunden“ sei, dass er Wagner gesagt hat, sie schaue aus „wie Madame Butterfly“ und er wolle ihr „den chinesischen Gesichtsausdruck austreiben“.
„Nicht an dem Abend" habe er Wagner - trotz chinesischen Gesichtsausdrucks - komplimentiert, sie sein „ein absoluter Engel“.
Niemals habe er gesagt, „früher oder später muss ich dich heiraten“.
„Völlig absurd“ sei, dass er Wagner „schnappen“ wollen habe, um zu verreisen.
Nie habe er das Wort „geil“ verwendet, auch wenn er laut Protokoll „so geil in jeder Hinsicht“ bezeichnet.
Nie habe er mit Wagner über „sexuelle Dinge zwischen uns“ geredet.

Wolfgang Fellner wurde zu einer sehr milden Strafe von 120.000 Euro, davon drei Viertel bedingt, verurteilt. Das Ganze kostet ihn also, wenn es rechtskräftig ist, 30.000 Euro. Das zahlt er aus der Portokasse. Fellner hat drei Tage Zeit zu berufen.

Auf Twitter kommentiert u.a. Fellners Prozessgegnerin Katia Wagner das Urteil.

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Die publizistischen Verteidiger des als cholerisch bekannten Verlegers sind noch nicht ausgerückt: Weder hat Express-CR Richard Schmitt auf Twitter bisher einen Spin versucht, noch FPÖ-Stadtrat Leo Kohlbauer auf Facebook zu Solidarität mit Wolfgang Fellner aufgerufen.

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Unternehmen wie XXX Lutz, der Verbund, Spar, Kika, Hervis oder die AK, die heute sehr groß in ö24 (Gratis-Print-Ausgabe) werben, sollten vielleicht einmal ihre Strategien überdenken und überlegen, ob bei ihnen die Firmenphilosophie auch ein Gewissen inkludiert. Und die Regierung sollte ihre Insera... - ach lassen wir das (Müdigkeit).

 

 



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