Ungefähr eineinhalb Jahre haben sich das Gallup Institut und das Medienhaus gemeinschaftlich darauf konzentriert, die Stimmung der Nation in Sachen Corona zu erforschen. Nicht, dass das Thema an Dringlichkeit eingebüsst hätte - im Gegenteil -, aber andere Aufreger haben sich der Pandemie gewissermaßen vor den Bug geschoben.
Die Inseratenaffäre, die Sebastian Kurz bis auf Weiteres den Job als Bundeskanzler kostete, zum Beispiel. In einer Zoom-Konferenz im Presseclub Concordia erläuterten Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz und MHW-Chef Andy Kaltenbrunner, was Österreich über Politiker, die Zeitungen mit hohen Inseraten-Geldern zu gefälliger Berichterstattung… „ermutigen“ und jene vornehmlich am Boulevard angesiedelten Medienunternehmen, die diese Gelder gerne annehmen, denkt. Dem lag eine Erhebung zwischen 14. und 19. Oktober an 1000 Menschen zugrunde.
Das Ergebnis zeigt, dass das Problembewusstsein um diese Art von Inseratenkorruption gestiegen ist. Möglich, dass Kaltenbrunner und das MHW mit zwei aufschlussreichen, auf umfangreichen Untersuchungen basierenden Büchern dazu wesentlich beigetragen haben.
Nicht sehr günstig für die Medien ist, dass das Vertrauen nach Meinung der Befragten gesunken ist. Während 46 Prozent einschränken, dass dieser Vertrauensschwund nur bestimmte Medien betreffen wird, meinen immerhin 33 Prozent, das Vertrauen in den Journalismus und die Medien allgemein werde sinken. Auch kein Ruhmesblatt für die Medien ist, dass 57 Prozent meinen, ihre Mehrheit sei käuflich. Und nur 3 (!!!) Prozent glauben, Medien (auch Österreich) seien überhaupt nicht käuflich.
Bereits im Februar war die Ankündigung der damaligen Regierung, die Aufwendungen für Inserate - offiziell als „Information“ verkleistert - verdoppeln zu wollen, auf eine Zweidrittel-Ablehnung gestoßen. Heute lehnen das 82 Prozent ab. Die vulgäre Praxis der Regierung, Inseratenaufträge und Corona-Sonderförderungen nach Reichweiten und Auflagen zu vergeben, findet ebenfalls keine mehrheitliche Zustimmung. Wird sie von 43 Prozent mehr oder weniger stark befürwortet, wollen über 70 Prozent eine Vergabe nach Qualitätskriterien. Und das Totschlagargument, Qualität könne nicht gültig definiert werden, ist, bekräftigte Kaltenbrunner, Unsinn: „Aus Forschungssicht gibt´s eine Vielzahl von Zugängen, um Qualität in Medien zu definieren. International ist das durchaus üblich, übrigens auch in Förderprogrammen, einzelne Kriterien festzuzimmern.“
Geradezu vernichtend ist die Bilanz der Regierung, wenn es daran geht, ihre Rolle als Vermittler von Medienkompetenz - einem traditionellen Defizit in Österreichs Bildungswesen und der Gesellschaft per se - zu bewerten: Die Zahl derer, die ihr zutrauen, die Qualität von Nachrichten glaubhaft vermitteln zu können, hat sich von April 2020 bis Oktober 2021 mehr als halbiert (von 53 auf 24 Prozent). „Man vertraut hier nun Bildungseinrichtungen, Journalistenvereinen wie dem Presseclub Condordia und unabhängigen Medienforschungsinstitutionen - allem, was nicht ,Partei’ ist“, erklärte Fronaschütz.
Im Übrigen zeigte sich, dass 88 Prozent der Österreicher unabhängigen Journalismus als wichtig einstuft und dass die Mehrheit die von ÖVP-Seite so heftig und aggressiv angefeindete Veröffentlichung der Chat-Protokolle befürwortet. Auch das alles Indizien für einen Bewusstseinsbildungsprozess, der unbedingt am Leben erhalten werden muss, wie Presseclub-Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus appellierte: „Es ist wichtig, dass Medien und Journalisten das Thema aufgreifen. Tun sie es nicht, kannst du es vergessen.“
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