Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz Screenshot
04 Mai
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Mitgefangen, mitgehangen

29 Prozent der Österreicher*innen sehen die Medien im Zuge der Pandemie als Teil des Problems. Das und weitere interessante Einsichten vermittelte das Gallup Institut in der 7. Welle seines Corona-Stimmungsbarometers.

Im März 2020 hatte das Gallup Institut gemeinsam mit dem Medienhaus Wien erstmals die die Stimmung und insbesondere die Akzeptanz der Medien in der österreichischen Bevölkerung im Zeichen der Coronakrise untersucht. Mittlerweile ist die siebente Welle angerollt. „Ich leite mittlerweile fast jede Veranstaltung damit ein, dass wir uns damals nie gedacht hätten, dass wir es jetzt noch immer erheben müssen. Und ich glaube auch nicht, dass es das letzte Mal war“, kommentierte Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz - je nach Dafürhalten mit bitterer Ironie oder Galgenhumor - die Beharrungskräfte der Pandemie bei der Präsentation der neuen Studie via Presseclub Concordia.

Wie üblich wurden zu Mediennutzungsgepflogenheiten begleitende Fakten erhoben. Diesmal war es das Wahlverhalten. Und hier zeigen sich gewisse Ermüdungserscheinungen: Knapp die Hälfte der österreichischen Bevölkerung sind überzeugte Wähler. Ihnen gegenüber stehen 10 Prozent, die sich, wie das Fronaschütz ausdrückt, „aus dem demokratischen Geschehen herausgenommen haben“, und immerhin auch über 40 Prozent von Unentschlossenen und Skeptikern, die nur sporadisch wählen gehen bzw. mit Nicht-Wählen liebäugeln. Sie kommen hauptsächlich aus den Lagern der Jungen (16-30 J), die sich durch gebrochene Wahlversprechen getäuscht und von der Politik nicht vertreten fühlen, der finanziell schwächeren Haushalte und der Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss.
Vor diesem demokratiepolitischen Hintergrund räumen 90 Prozent der Österreicher - zu hohen Teilen auch Wahlmüde - unabhängigem Journalismus einen hohen Stellenwert ein. Deutlich differenziert sich dieses Bild aus, wenn gefragt wird, wie wichtig Journalismus für Menschen persönlich ist: Die Politikverdrossenen meinen in großer Anzahl (um die 40 Prozent), darauf verzichten zu können. Dazu passt, dass fast 30 Prozent - soviel wie noch nie - die Medien als Teil des Problems sehen: Unzufriedenheit mit der Corona-Politik korreliert mit Unzufriedenheit mit den Medien. „Wenn ich den politischen Institutionen misstraue, dann führt natürlich eine Krise, in der nur Institutionen Lösungen herbeiführen können, in ein Dilemma, weil man sich ausgeliefert fühlt“, erklärte Fronaschütz. „Dass hat auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Medien, die als Teil des Ganzen betrachtet werden.“

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Bei der Wahl der Informationsquellen dominiert nach wie vor das Fernsehen, und insbesondere bei den Vorsichtigen der ORF. Bei den Jungen ist allerdings eine etwas stärkere Tendenz Richtung Privat-TV zu bemerken. Auch die Zeitungen (auf verschiedenen Kanälen) und Radio kommen auf hohe Nutzungsraten; bemerkenswert zugelegt haben Social Media.
Betrachtet man isoliert, welche Medien-Marken die Jungen nutzen, so sticht eine große Diversität ins Auge: In absoluten Zahlen dominiert auch bei ihnen das ORF-Fernsehen, dahinter kommen, fast gleichauf, das „Hitradio“ Ö3 und Der Standard. Über einer Nutzungsmarke von 20 Prozent liegen bei den Jungen dann nur mehr die Krone und der Privat-TV-Sender Puls 4, dann verteilt sich die Nutzung auf diverse Print-Titel, Privat-TV-Sender und -Radios. Bemerkenswert ist auch, dass die Jungen eher als ältere Generationen bereit sind, für digitale Inhalte zu bezahlen.
„Als Medienmanager müsste man sich für die Zeit nach Corona einige Punkte klar machen“, resümierte MHW-Geschäftsführer Andy Kaltenbrunner. „Man muss die Jungen abholen wo sie sind und wohin sie zurückkehren: Das sind Social-Media-Kanäle, d.h. ich brauch eine gute SM-Strategie. Ich brauche ein Audience-Engagement-Team, um dieses Publikum einzubinden, denn die Diskursbereitschaft ist groß. Und als Zusatzpunkt ein Ergebnis unseres Journalismus-Reports: Die Chance, Junge zu erreichen, ist höher wenn man selbst eine junge, diverse Redaktion hat, die ihre Sprache spricht. Dazu braucht es mehr als einen 10-Prozent-Anteil Unter-30-jähriger in den Redaktionen und das ist derzeit nicht der Fall.“

Studiendesign: Online-Erhebung bei 1000 Österreicher*innen ab 16 Jahren zw. 15. und 19. April 2021. Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

 



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