Keine Frage, Eva Blimlinger traut sich was. Obwohl der integre Teil der Medienöffentlichkeit - also jener Medien (plus ihrer Gefolgschaft), die nichts mit Boulevard zu tun haben, die nicht Hofberichterstattung gegen fette öffentliche Inseratengelder praktizieren und/oder ein Nahverhältnis zur türkis/blauen Hemisphäre pflegen, zu Recht nicht gut auf die Totengräberin der Wiener Zeitung zu sprechen ist, besuchte sie die Verleihung der Concordia-Preise im Parlament. Eine Veranstaltung also, wo sich genau die genannten guten Medienkräfte dieses Landes treffen. Und die Wiener Zeitung war auch Thema in den Ansprachen von Presseclub Concordia-Präsident Andreas Koller und Anneliese Rohrer, die in ihrer Laudatio auf das investigative Portal Dossier, einen der drei diesjährigen Preisträger, die grüne Medienbeauftragte denn auch per nominem adressierte. Dass die Festgäste die starrsinnige Politikerin, die ihr Todesurteil über die WZ mit falschen Behauptungen wie dem sagenhaft dummen Gefasel, die seit 1995 online stehende und gut im Netz repräsentierte älteste Tageszeitung der Welt müsse „endlich den Umstieg in das digitale Zeitalterschaffen schaffen", „begründet", beim anschließenden Umtrunk und Gedankenaustausch in der Säulenhalle komplett ignorierten, war nur würdig und recht.
Dossier machte den Preis in der Kategorie „Meinungsfreiheit". Das 2012 ins Netz gegangene Portal, das mittlerweile auch eine Printausgabe herausbringt, gehörte zu den allerersten Kräften dieses Landes, die einen grellen Scheinwerfer auf die abstoßende Unsitte der Inseratenkorruption - dazumal noch exerziert von SP-Kanzler Werner Faymann - richteten. Weder Einschüchterungsklagen noch frappierende ökonomische Unsicherheit haben das Team um Florian Skrbal, der stellvertretend den 5000-Euro-Scheck entgegennahm und - „erstmals im Parlament" - die Dankesrede hielt, vom Weg abbringen können.
Ähnlich viel Beharrungsvermögen werden Mitarbeiter der Plattform andererseits brauchen, die in der Kategorie „Menschenrechte" das Rennen machte: So wie Dossier erhalten sie keinerlei Presseförderung. andererseits hat sich die Inklusion behinderter Menschen auf die Fahnen geschrieben und führt sie im eigenen Betrieb, wo behinderte Menschen gestaltend mitarbeiten, beispielhaft vor. Der Autor und Podcaster Fabian Füreder richtete denn auch neben Redaktionsleiterin Lisa Kreutzer und Gründungsmitglied Katharina Brunner Dankesworte an das Publikum und forderte: „Der Staat sollte gleiche Chance für alle schaffen."
Ziemlich zur Sache ging´s dann, als Kreutzer das Wort ergriff. Denn sie kratzte auch hier ziemlich am Lack der knopfdruckgenerierten kollektiven Rührung, wie dies schon die aufsehenerregende Doku „Das Spendenproblem" - eine, sagen wir, ziemlich unsentimentale Abrechnung" mit dem TV-Charity-Marathon „Licht ins Dunkel" - getan hat. „Der Journalismus hat ein Problem mit behinderten Menschen", konstatierte Kreutzer und hielt fest, dass sie mit der Festveranstaltung nur bedingt glücklich sei, weil sich bei solchen Anlässen Politiker gerne als Verfechter des Qualitätsjournalismus deklarierten und ihre schönen Worte im nächsten Moment durch (Un-)Taten ad absurdum führten. Auch seien die Festreden deutlich davon entfernt, sich einer einfachen Sprache zu bedienen.
Den Preis fürs Lebenswerk erhielt der Karikaturist Gerhard Haderer. Hier muss man nichts mehr dazusagen und einfach nur den letzten Satz des Künstlers aus seiner Dankesrede zitieren. Es war ein Wunsch an die Politiker*innen dieses Landes: „Bitte hören Sie nicht auf damit, sich weiter so zu verhalten, wie Sie es tun." Denn eine bessere Vorlage für seine Arbeit könne es nicht geben.