Auch ich fand es immer im Buchstabensinn unzeitgemäß, dass schon im Oktober in Sölden die Alpine Ski-Weltcup-Saison startet. Ich bin auch noch immer gut ohne die Rennen in Lake Louise irgendwann um den 10. November ausgekommen - dort sind die heuer zwar nimmer, aber die FIS hat andere Schauplätze gefunden, um die Zeit totzuschlagen. In meiner Zeitrechnung passt es mit dem Skirennlauf erst ab Gröden, wo sie alle so lieb „Frohe Weihnachten!" wünschen.
Sölden wartet heuer zum Saisonauftakt mit Bildern eines künstlich generierten Schneebands inmitten von Geröll, wo vor einiger Zeit noch der Rettenbachferner war, auf. Einer der Fälle, wo sich die Phrase „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" als bittere Realität materialisiert.
„Die Exoten" kommen (und es ist gut so)
Es ist angesichts solcher Absurditäten wahrscheinlich ziemlich wahnwitzig, eine Lanze für das Skifahren - freizeit- wie auch leistungssportlich ausgeübt - zu brechen. Ich tu´ es trotzdem.
Im Weltcup hat sich, selbst von der einschlägig interessierten Öffentlichkeit eher unbemerkt und eingestandenermaßen auch für mich erst seit einer Saison augenfällig, eine interessante Entwicklung vollzogen. Denn neuerdings mischen auch Bewerber von außerhalb des alpinen mitteleuropäischen und nordamerikanischen Raums, Läufer aus Spanien, Andorra, Belgien etwa, etwas länger schon aus England, in der erweiterten Weltklasse mit. Vermutlich ist es so wie in der Formel 1 (die notabene vor dem Adventkranz auch schon ein bisserl komisch ausschaut), und es handelt sich bei diesen Athleten durch die Bank um Sprösslinge aus betuchten Häusern - Fakt aber bleibt, dass es junge Menschen von außerhalb des Alpenraums, die man vor ein paar Jahren wahrscheinlich noch überhaupt nicht auf der Piste und garantiert nie in Fernseh-Übertragungen gesehen hätte, zum Skirennsport zieht. Es kann also das Lamento, dass der Skirennlauf außer in Österreich, der Schweiz und Südtirol „ja gar niemanden interessiert", so nicht ganz stimmen. Er interessiert Leute von außerhalb sogar so sehr, dass sie dafür enorme Kosten und Strapazen auf sich nehmen, um mangels Backings eines großen Verbandes Trainingspartner und -gelegenheiten zu finden.
Logischerweise findet der Aufstand der Außenseiter hauptsächlich im Slalom, der am ehesten per Naturtalent zu meisternden und in diesem Sinn demokratischsten alpinen Disziplin, statt. Vielleicht erfasst er aber irgendwann auch die schnelleren Disziplinen, schön wär´s.
Im Übrigen ist der Skirennlauf noch immer ein attraktiver Sport mit immer noch hohem menschlichem Einfluss auf das Ergebnis - er wird nur saudumm vermarktet und von der FIS miserabel und in einigen Aspekten obszön fahrlässig geleitet. Maßgeblichen Entscheidungsträgern unter den Renndirektoren, Veranstaltern und in der FIS-Direktion scheinen die Bewerbe gar nicht spektakulär und gefährlich genug sein zu können. Dabei ließe sich das Gefahrenmoment im Prinzip relativ leicht mildern. Es würde die Geschwindigkeiten schon erheblich reduzieren, trügen die Läufer*innen statt dem, was Touristiker in der WKO gerne eine „Gummiwurscht" nennen, eine langsamere, dafür etwa Sturzfolgen dämpfende Kleidung. Die darf ja trotzdem durchaus speedig designt sein. Wild aussehen würden die Bewerbe noch immer.
Viele Totschlag-Argumente
Als Freizeitsport und Urlaubsvergnügen wird Skifahren schon seit ewig und drei Tagen mit tausendundein Argumenten totgesagt: Fehlender Gäste-Nachwuchs, fehlender Rohstoff (Schnee) und insbesondere ein riesiges Image-Problem sind nur ein paar von ihnen; Skifahren sei wegen des dafür notwendigen logistischen Aufwands ein Umweltzerstörer und Klimakiller ersten Ranges; ein Skiurlaub sei für Normalsterbliche gar nicht mehr leistbar.
Von allsolchen Argumenten ist eines faktisch unbestreitbar: Skiurlaub ist teuer. Er war es schon immer. Einfach deshalb, weil es sich um ein kostenintensives Produkt mit hohem Präparierungs-, Transport-, Material- und Beherbergungsaufwand handelt. Reflektiert man, welche Leistungen man für das Geld bekommt, ist er demgegenüber im wahrsten Wortsinn als preiswert einzustufen.
Es ist nur so, dass ein von Fakten und Realität weitgehend unversehrter Mythos suggeriert, früher sei Ski-Urlaub billiger gewesen und dann wegen der Gier der Ski-Gemeinden, Liftbetreiber, Hoteliers etc. durch die Decke geschossen.
Was es früher tatsächlich gegeben hat und verschwunden ist, sind Möglichkeiten, ohne lange Anfahrtswege auf kleinen, mit einfachen Schleppliften ausgestatteten, anfängertauglichen Hängen billig Ski zu fahren. Diese Nahversorger, das kleine Skigebiet vor der Haustür, der Lift am Dorfhang oder wenigsten im Nachbardorf, sind weg. Wer also nicht zufälligerweise in einem großen Skigebiet lebt, hat nur mehr zwei Alternativen: Tageskarte mit womöglich langer An- und Abreise, allenfalls noch ein Ski-Wochenend-Ausflug, der schon einmal ein bisschen ins Geld gehen kann - oder eben richtig Ski-Urlaub, der dann richtig ordentlich zu Buche schlägt. Die sich den leisten, messen dem Preis nur minderheitlich - nämlich zu ungefähr 10% - prioritäre Bedeutung zu.
Alle anderen Argumente sind bis zu einem gewissen Grad Ansichtssache und eine Frage, welcher Statistik man nun gerade glaubt.
Unbestreitbar ist natürlich, dass für den Skisport massive Eingriffe in Landschaften, Fauna und Flora vorgenommen worden, Wälder kahlgeschlagen worden, Böden für Parkplätze, Seilbahn- und Jausenstationen und versiegelt worden sind. Heute müssen Hänge mangels Schnee künstlich beschneit werden, dafür müssen wiederum eigens Wasserreservoire angelegt und Geräte zur Schneeerzeugung angeschafft werden.
Für Autobahnen und Straßen sind allerdings auch Böden versiegelt worden, mussten entlang der Routen Tankstellen, Raststätten und Parkplätze angelegt werden, an den Strecken Verkehrsschilder oder elektronische Hinweissysteme implementiert, Kräfte für Sicherheit und Ordnung und notfalls auch die Versorgung von Verletzten bereitgestellt werden. Das hinterfragt nur niemand mehr (außer ein paar von der einschlägigen Politik als „Terroristen" diffamierte Vor-/Nachdenker).
Die Frage, die sich nun für den Ski-Tourismus stellt, ist, wie und ob überhaupt seine aufwändige Infrastruktur auf eine verträgliche Weise am Laufen gehalten werden kann. Klar doch, sie kann es. Behaupten jedenfalls vier namhafte heimische Tourismus-Expert*innen in einer Art Gipfelgespräch für die Österreich Werbung, das Sie im Video unten sehen können.
Die expertisen Argumente kurz zusammengefasst: Der Wintertourismus verbraucht nicht wirklich viel Energie, nämlich 0,9 Prozent des Gesamtverbrauchs und wird auch bereits zu großen Teilen aus erneuerbarer und selbst produzierter Energie gespeist. Beschneiung entzieht dem Wasser-Kreislauf kein Trinkwasser. Ein paar (Vorzeige-)Hotels sind energieeffizient gebaut, legen Wert auf regionale Produkte oder bieten Incentives für öffentliche Anreise. Das, öffentlich anreisen, tun derzeit weniger als 10%, aber mit diesem Problem ist der Ski-Tourismus nicht allein. Im Übrigen legt lt. Umfragen über die Hälfte der Gäste, die in Österreich Skiurlaub machen, Wert auf Nachhaltigkeit und nicht viel weniger (44%) sind angeblich sogar tendenziell bereit, dafür (N.) mehr Geld auszugeben.
Tut Gutes und sprecht darüber!
Manche dieser Argumente, etwa dass der Energieverbrauch des T. bei weitem nicht so hoch sei wie weithin angenommen, hat man vereinzelt schon mal gehört. Vermutlich mit leichtem Stirnrunzeln. Ein wenig geht´s dem Ski-Tourismus wie der Industrie. Die beteuert auch gebetsmühlenartig, höchste Umweltstandards einzuhalten, bloß kann/will das die Öffentlichkeit nicht recht glauben.
Will man also die öffentliche Akzeptanz des Skisports und -tourismus steigern, so empfiehlt es sich dringend, die angeblich doch so günstigen Kennzahlen seines Energieverbrauchs und ökologischen Fußabdrucks breit zu kommunizieren und nicht zuletzt die Quellen und Methoden ihrer Erhebung offenzulegen. Statt auf Kritik, wie das bei manchen seiner namhaften Vertreter vorkommen soll, zu reagieren wie eine beleidigte Leberwurst und auf „die in Wien" zu schimpfen.
Der Zeitpunkt einer solchen Kommunikationsoffensive wäre recht günstig, denn Markterhebungen, die auch im ÖW-Video zur Sprache kommen, weisen dem Skiurlaub eine leicht steigende Nachfrage aus. Wenn das just in diesen schwierigen Zeiten, wo alle Welt unter der Teuerung (und noch viel schlimmeren Problemen) ächzt, möglich ist, dann kann am Produkt einiges nicht ganz so falsch sein, wie manche Menschen tun. Oder uns glauben machen wollen.