Doppelbelastung Screenshot ORF
06 Aug
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Doppelbelastung

Zugleich eine Oppositions- wie auch Regierungspolitikerin versuchte die dreifache Mutter und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zum Auftakt der ORF-Sommergespräche zu geben. Nicht der einzige Grund, warum ihre Performance etwas schaumgebremst geriet, sich aber eine gute Diskussion bei den Sommernachgesprächen auf ORF III entwickelte.

Zwei Rucksäcke schleppte Beate Meinl-Reisinger mit in den Auftakt der heurigen ORF-Sommergespräche mit Martin Thür: Zum einen eine „Doppelbelastung“ als Oppositionspolitikerin und Regierungspolitikerin in spe. Denn wie die Spatzen von den Dächern pfeifen, basteln ÖVP und SPÖ bereits eifrig an einer Dreierkoalition. Und der Juniorpartner kann – nach den Verwerfungen zwischen ÖVP und ihrem derzeitigen grünen Regierungspartner wegen des Renaturierungsgesetzes – nur die Partei sein, der Meinl-Reisinger als Vorsitzende vorsteht: NEOS. Da ist es dann, wie Politologe Peter Filzmaier bei der anschließenden gemeinsamen Analyse mit Falter-Journalistin Barbara Toth in der ZiB2 richtig hinwies, ziemlich Wurscht, ob die in der Reichweite gewissermaßen natürlich begrenzte liberale Partei bei der Wahl Ende September 8 oder 12 Prozent der Stimmen erreicht. BMR scheint sich notabene ihrer Regierungsbeteiligung bereits ziemlich sicher zu sein, denn irgendein beschwichtigendes „Abwarten, wie die Wahl ausgeht“ kam ihr während des ganzen Gesprächs in – vermutlich witterungsbedingt – düsterer Kulisse am Traunsee nicht über die Lippen.

Jedenfalls erschien die NEOS-Chefin dem Autor und Regisseur Michael Schottenberg, der bei Lou Lorenz-Dittlbacher in ORF III gemeinsam mit Unternehmer und NEOS-Förderer Hans-Peter Haselsteiner, dem Ökonomen Holger Bonin, Standard-Redakteurin Katharina Mittelstaedt und ORF-III-Innenpolitik-Expertin Raffalea Singer in den Sommernachgesprächen das Interview diskutierte, zu wenig angriffig.

Zweitens (Rucksack, remember?) stellen NEOS in Wien den Bildungsstadtrat, verkörpert in der Person des Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehr. Und Bildung ist in einer Großstadt wie Wien ein schwieriges Thema. Versprechen und ehrgeizige Vorhaben gehen da vor dem realen Hintergrund von Migration, Analphabetismus, mangelnden oder schlechterdings nicht vorhandenen Deutschkenntnissen und äußerst limitierter Integrationsbereitschaft schnell einmal auf Grundeis.  

Auch diese Diskrepanz hatte BMR irgendwie zu rechtfertigen und geriet dabei hin und wieder ins Schwimmen – nicht im Traunsee natürlich, sondern metaphorisch. Und dass sie vielleicht nicht ganz so frisch wirkte wie früher, liegt an der kuriosen Diskrepanz, dass NEOS zwar die historisch jüngste Parlamentspartei sind, BMR mit ihrem nunmehr siebentem Antreten aber die längstgediente Gesprächspartnerin bei den ORF-Sommergesprächen ist.

Wenn die Performance Beate Meinl-Reisingers nicht ihre allerbeste gewesen sein mag, so waren zumindest die „Sommernachgespräche“ bemerkenswert: Die hier versammelte Runde versuchte, mit größerenteils recht guten Argumenten und Ideen, Lösungen für die im Sommergespräch aufgeworfenen Probleme zu finden: Die Teuerung/Inflation, die Situation am Arbeitsmarkt, das Sozialsystem, Integration, Bildung/Erziehung.

So etwas spielt es natürlich nur bei einer Sachthemen-bezogenen Partei wie NEOS. Wenn Herbert Kickl mit seinen Wut- und Ressentimenttiraden an der Reihe ist, wird das natürlich nicht möglich sein.


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