Im Republikanischen Club: Matthias Winterer, Moderatorin Bettina Figl, Michael Ortner Im Republikanischen Club: Matthias Winterer, Moderatorin Bettina Figl, Michael Ortner Gerald Schmickl
12 Jun
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Das Aufdecker-Duo der „neuen" WZ

Wer vorhat, sich über Grundstück-Tricksereien zu bereichern, wird eher keine Freude an Matthias Winterer und Michael Ortner haben. Im Republikanischen Club stellten sich die beiden ihrer früheren Kollegin Bettina Figl und dem Publikum.

 

Viele Vorschusslorbeeren waren der digitalen WZ als von türkis-grünen Regierungs-Gnaden eingesetzter Erbin der gewaltsam liquidierten Wiener Zeitung ja nicht entgegengebracht worden. Umso gelegener kamen ihr da die öffentlichkeitswirksamen Geschichten um Grundstück-Deals in der türkisen und der roten Reichshälfte, die ihre Redakteure Michael Ortner und Matthias Winterer einer staunenden und in sensiblen Fällen auch fassungslosen Öffentlichkeit präsentierten

Zuerst eine Weinviertler Version der Dubaier „Palme" in Grafenwörth, bei der ein Filz an baugründlichen Verwandlungen, Mauschelei und wundersamer Geldvermehrung zu Tage kam. Dann die Kleingartenaffäre im 22. Bezirk, bei der sich einige SPÖ-Politiker von Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy abwärts durch Umwidmungen massiv bereichert hatten. Schließlich die Geschichte um eine Wiese in Mattersburg, die ein Investor aus den Besitztümern der schicksalhaften Commerzialbank ersteigert und mit geschätzt 10 Millionen Gewinn an eine gemeinnützige Genossenschaft, mit der er zufälligerweise seither eng zusammenarbeitet, verkauft hatte.

Winterer und Ortner, von der „alten" Wiener Zeitung ins neue Format übernommen, stellten sich im Republikanischen Club an der Fischerstiege den Fragen ihrer ehemaligen Kollegin Bettina Figl, die 2011 bis 2021 Redakteurin der Wiener Zeitung gewesen war, und des Publikums. Figl, die derzeit in der Wiener Redaktion der Salzburger Nachrichten arbeitet, veranstaltet im RC die Reihe „Aufmacher - die Medienrunde".
Eine naheliegende Frage von ihr war, wie es Winterer & Ortner, die früher nicht so „verhaltensauffälig" gewesen waren, gelingt, solche Geschichten an sich zu ziehen.
Recht freimütig ließen die zwei durchblicken, dass es zur Grafenwörth-Geschichte bereits Vorrecherchen (durch profil) gegeben hatte, auf die sie aufbauen konnte. Darauf folgte Knochenarbeit: Langweilige Einsichten ins Grundbuch und in Kaufverträge, Lokalaugenscheine, ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Bauleiter; unzählige unbeantwortete Anfragen im Gemeinderat. Heraus kam am Ende nicht nur ein riesiger Korruptionsfall mit Umwidmungen, An- und Verkäufen, sondern auch von einer Bodenversiegelung beschämenden Ausmaßes. Und als personelle Konsequenz der Rücktritt des, euphemistisch ausgedrückt, äußerst „geschäftstüchtigen" Grafenwörther Bürgermeisters Alfred Riedl als Präsident des Österreichischen Gemeindebundes.

Nicht viel anders verliefen die Recherchen im 22. Bezirk, mit dem Unterschied, dass dort die Bezirksleitung zumindest pro forma auf Anfragen der Journalisten antwortete (wenn auch alles abstreitend).

Diese zwei Aufdeckergeschichten brachte Winterer & Ortner auf gewisse Weise in einen speziellen Ruf - nämlich als Grundstückdealspezialisten - und viele Tipps in diese Richtung. Dass trotzdem bisher keine weitere Geschichte zu dem Thema gekommen ist, hat, wie Winterer lakonisch erklärte, einen simplen Grund: „Der Großteil der Tipps ist unbrauchbar."

5000 Euro für vorgezogenes Operieren - kaum Echo

Die beiden haben noch etliche Ungeheuerlichkeiten aufgedeckt, zum Beispiel dass gegen Bezahlung von stattlichen Summen - 5.000 Euro in dem einen belegten Fall - Operationen in Spitälern vorgezogen werden. „Es war ungemein schwierig, wen zu bekommen, der darüber redet", erzählte Ortner. Trotzdem hat die Story kaum Aufsehen erregt.

Zu dem mit 1.9. nächsten Jahres anstehenden Informationsfreiheitsgesetz äußern sich Winterer & Ortner vorsichtig. Zwar erwarten sie sich dadurch schon gewisse Erleichterungen ihrer Arbeit, sind auf der anderen Seite aber auch gewahr, dass es gerade auf Gemeindeebene noch immer genug Akteure gibt, die Transparenz ungefähr so schätzen wie Autofahrer rote Ampeln.

Die WZ kooperiert mittlerweile mit vielen Partnern, Ö1 etwa, dem Falter oder - aufsehenerregenderweise - mit der Tagespresse. „Im Prinzip kommt jedes Qualitätsmedium in Frage", sagte Ortner nach der Veranstaltung im kleinen Kreis.

Die Ironie, dass just „long reads" - klassische lange Textgeschichten - der „neuen" WZ Aufmerksamkeit bringen, wird ein wenig desinfiziert durch die Tatsache, dass diese Geschichten begleitend immer zu Social-Media-gerechten Video-Häppchen gestutzt werden. An deren Entstehung seien sie, erklärte Winterer, bei Gott nicht unbeteiligt: „Wir schreiben an den Drehbüchern mit, wir haben sogar Kameras."