Preisträgerin Clara Porák von der inklusiven Plattform andererseits mit MHW-Geschäftsführer Andy Kaltenbrunner Preisträgerin Clara Porák von der inklusiven Plattform andererseits mit MHW-Geschäftsführer Andy Kaltenbrunner Jaschke
13 Nov
geschrieben von 

Warum der Walther-Rode-Preis der schönste Journalismus-Preis dieses Landes ist

Die Auszeichnung wurde gestern Abend in den malerischen SOHO-Studios an Tagespresse-Satiriker Fritz Jergitsch und Clara Porák, Betreiberin der inklusiven Plattform andererseits, verliehen.

 

Es gibt sicher in Österreich „festlichere", pompösere Journalistenpreise als den Walther-Rode-Preis: Den Kurt-Vorhofer-Preis, den Robert Hochner-Preis. Den/die Journalist/in des Jahres. Wohl auch den Prälat-Leopold-Unger-Preis, allein weil er mit 22.000 Euro der höchstdotierte in diesem Land ist.

5000 Euro - so hoch ist der Rode-Preis dotiert - sind allerdings auch nicht nix. Und mit dem Prestige passt es ja eigentlich auch durchaus, das merkt man daran, wer aller und wie viele Menschen Jahr für Jahr zur Preisverleihung kommen.

Nichtsdestotrotz ist dieser Preis, den das Medienhaus Wien ohne Beteiligung von Sponsoren vergibt und uns daher bei den Zeremonien lähmende Ansprachen von Unternehmenschefs oder -marketern erspart, in mehrerlei Hinsicht „anders". Sympathisch anders.

Vitale Locations

Das fängt schon bei den Locations an. Nicht irgendein Festsaal irgendeiner ehrfurchtgebietenden Institution ist der Schauplatz der Preisverleihung. Sondern, so die Idee, ein Platz, wo sich das Publikum einfindet, an das sich Journalismus richtet.
Und immer sind das Räume, wo man sich gerne auf- und unterhält. In vergangenen Jahren etwa das Depot in der Breite Gasse oder die Brunnenpassage.

IMG 2554IMG 2467Auch gestern fand die Zeremonie in Ottakring statt, und zwar in den SOHO Studios im Art Space Vienna, einem phantastisch gestylten Ort der Kultur und Begegnung im Sandleitenhof, dem größten Gemeindebau Wiens.

Lebendigkeit, Dynamik ist, was solche Locations ausstrahlen und nicht zufälligerweise ist das auch das, was den Walther-Rode-Preis charakterisiert. Mit dem Rode-Preis wird reaktionsschnell und instinktsicher bemerkenswerten aktuellen journalistischen Entwicklungen in diesem Land Rechnung getragen. (Lebenswerke werden anderswo geehrt.)

Nicht notwendigerweise muss die Wahl der Preisträger Breitenwirksamkeit ausschließen, wie zum Beispiel die Zuerkennung an (damalige) Jungstars der ORF-Information (Tobias Pötzelsberger, Simone Stribl, Patrick Swanson, Matthias Westhoff) für ihre Berichterstattung in der berüchtigten Ibiza-Affäre im Jahr 2019 beweist.
Insbesondere aber werden durch sie Zeichen gesetzt wie 2023 mit der Auszeichnung des freien Kärntner Journalisten und Bloggers Franz Miklautz, dessen Arbeit einigen hochrangigen politischen Funktionsträgern im Klagenfurter Rathaus so missfallen hatte, dass sie - unter Berufung auf das Amtsgeheimnis - seinen Computer und sein Mobiltelefon beschlagnahmen ließen.

IMG_2464.JPG

Im Geiste folgt die Verleihung des Preises ihrem Namensgeber Walther Rode (1876 - 1934), einem Wiener Rechtsanwalt und Publizisten, der wegen „Aufsässigkeit" bald mit der Obrigkeit - insbesondere der Beamtenschaft - über Kreuz kam und in die Schweiz emigrieren musste. Besonders schön manifestiert sich dieser Geist in einem Statement, das MHW-Gesellschafter Andy Kaltenbrunner bei seiner einleitenden Rede zum Rode-Preis ´24 zitierte: „Mir scheint die Moral zu gebieten, gegen die Sittlichkeit zu verstoßen."
Übertragen ins Jetzt: Es ist im Sinne der journalistischen Integrität (überlebens)wichtig, aus eingefahrenen Bahnen auszuscheren.

Entrepreneurial Journalism

Heuer stand die Preisverleihung im Zeichen unternehmerischer Perspektive für kritischen Journalismus. Geschuldet ist dieser thematische Fokus dem massiven Wandel in der Branche: Der journalistischen Kräfte werden es immer weniger - von 2006 bis 2019 in Ö. um ein Viertel -, gleichzeitig beeinflussen sinkende Erlöse, unheilige Allianzen, politische und wirtschaftliche Einflussnahme (Inserate) die journalistische Praxis unvorteilhaft.

Da ist es ein wichtiges Signal, wenn sich journalistische Kräfte auf eigene Beine stellen und Unternehmen gründen. „Entrepreneurial Journalism" wird ihr Wirken im anglophilen Fachjargon genannt. Für die Forschungen des MHW ist dieser Bereich, wie es Kaltenbrunner ausdrückte, ein „Leid- und Leitthema."
Deswegen nämlich, weil es (das leid- und Leitthema) ein Defizit bezeichnet. 1% der Förderungen geht hierzulande an Entrepreneurial Journalism. Das sei international, erzählte Kaltenbrunner, nicht so.

Trotz solcher ziemlich sehr suboptimaler Voraussetzungen haben in Österreich bemerkenswerte journalistische Unternehmungen Fuß gefasst. Eine der ersten war das investigative Portal Dossier, das 2013 mit dem Rode-Preis ausgezeichnet wurde.
Zwei weitere sind das Satire-Portal Die Tagespresse und die inklusive Plattform andererseits. Ihre Gründer/innen und Betreiber/innen Fritz Jergitsch und Clara Porák sind Rode-Preisträger/innen 2024.
IMG 2470 opieFritz Jergitsch, Kopf der mittlerweile mit vier fixen und vielen freiberuflichen Kräften besetzten Tagespresse, ist studierter Volkswirt. Clara Porák, die andererseits führt, kommt dagegen vom Schreiben, auch wenn sie in den Journalismus, wie in der Laudatio durch Renée Lugschitz und Sonja Luef, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des MHW, durchklang, eher beiläufig gekommen ist. Unzufriedenheit mit Zuständen, Einstellungen und Geisteshaltungen in der Branche hat sie tiefer hineingezogen.
2021 gründete sie mit Katharina Kropshofer und Veronika Winter das mittlerweile viel beachtete Netzwerk Klimajournalismus. Ein Jahr später stellte Porák, wieder gemeinsam mit Kropshofer sowie Katharina Brunner, das inklusive Magazin andererseits auf die Beine.
Dort arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung daran, dem Journalismus das zurückzugeben, „was ihm fehlt: Die Perspektiven von Menschen, die er ausschließt“, wie die Webseite des Unternehmens sagt.

Die Tagespresse wiederum wählt den Weg der Satire, um den Finger scherz- und schmerzhaft in die Wunden des öffentlichen Lebens zu legen. Ihr Gründer Jergitsch kommentiert, was gerne als vierte Gewalt oder vierte Säule in der staatlichen Gewaltenaufteilung bezeichnet wird, auf österreichisch so: „Wenn man einen Baumeister fragt, was er von so einer Säule hält, würde er antworten, ,Das ist keine Säule, das ist ein Pfosten!‘".

Das Preisgeld stiftete Jergitsch der Plattform andererseits. Diese ihrerseits verwendet das außergeschäftsbetriebliche Zubrot ebenfalls in benefitäter Mission: Betreiberin Pórak kündigte an, ein Stipendium von 2 mal 1.500 Euro auszuschreiben: Eines, um einem Menschen mit Behinderung oder Rassismuserfahrung journalistisches Arbeiten zu ermöglichen; eines für eine Person, die ihm dabei hilft.