Die Jungen. Vieles wird ihnen nachgesagt, wenig davon ist schmeichelhaft: Sie wollen nicht arbeiten, interessieren sich für nix, hängen nur am Handy und konsumieren Social Media. Solchen Vorurteilen entgegenzutreten, ist eines der Ziele der parteiunabhängigen Plattform PolEdu. Sie ist 2019 gegründet worden, um junge Menschen in Dialog mit öffentlichen Entscheidungsträger*innen zu bringen und auch untereinander den Diskurs über gesellschaftspolitische Themen zu fördern. Natürlich ist die Plattform auf Social Media stark präsent; sie hält Workshops und Vorträge und organisiert zum Teil recht hochkarätige Veranstaltungen wie kürzlich im Presseclub Concordia ein Podiumsgespräch mit dem Thema „Wie sieht die Zukunft unserer Medien aus?".
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr junge Menschen ihre Informationen oder das, was sie dafür halten, auf und von Social Media beziehen, wurde - vor zahlreichem, größtenteils sehr jungem, interessiert-engagiertem Publikum - der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert der Journalismus in Zukunft einnehmen wird. Wegen der personellen Besetzung des Podiums war diese Frage auf das Segment Fernsehjournalismus zugespitzt.
In der Moderation der 19jährigen Studentin und PolEdu-Moderatorin Anna Fabrizy erörterten Puls 4-Info-Chefin Corinna Milborn, ZiB-Moderator Stefan Lenglinger und Matthias Zojer, Kommunikationschef des Presseclub Concordia, die Perspektiven der Fernsehsender. Ob diese nun privat organisiert sind wie die Puls 4-Gruppe oder öffentlich wie der ORF - die mächtige Konkurrenz der amerikanischen Internet-Giganten drängt sie aufs selbe Boot. Dass zwischen Milborn und Lenglinger null Meinungs- und Wesensverschiedenheiten offenbar wurden, war allerdings schon von vornherein zu erwarten gewesen.
Der angebliche Todeskandidat Lineares Fernsehen lebt noch immer gut
Milborn hatte sich bereits einmal, 2013, eine kapitale Fehleinschätzung geleistet, indem sie bei einer Präsentation die These vertrat, in fünf Jahren (also 2018) werde niemand mehr linear fernsehen. 2025 wird allen Tagesaufregern und Fünf-Minuten-Prognosen zum Trotz noch immer linear ferngesehen und wird es auch noch in absehbarer Zukunft getan werden.
Nicht, dass die Social-Media-Giganten wie insbesondere TikTok den herkömmlichen TV-Sendern nicht tatsächlich massiv zusetzen würden: zum einen saugen sie Werbegelder ab, zum anderen sozialisieren sie die Medienkundschaft zur Konsumation kleiner und kurzer Häppchen.
Die Entwicklung zu Kurzformaten ist kein Naturgesetz
Werden herkömmliche Medien diesem Druck standhalten können? „Ich bin nicht sicher, ob sich die Entwicklung hin zu den Kurzformaten, die wir die letzten 5 bis 10 Jahre hatten, ewig fortsetzen lässt und bin gespannt, welche Art von Korrekturprozessen wir da möglicherweise erleben", meinte Lenglinger.
„Wenn man vergleicht: Die erfolgreichste Netflix-Serie hat, soweit ich weiß, im Schnitt 6 Millionen Seher. Allein Tatort hat in Deutschland 10 Millionen", verwies Milborn auf das Basische, nämlich Seherzahlen.
Es bräuchte Regelungen für Internet-Konzerne und Social Media
„Es hängt", erörtert die Tirolerin, die als Print-Journalistin angefangen hat und im News-Verlag zu erster Bekanntheit gekommen ist, „sehr viel davon ab, was in den nächsten Jahren entschieden wird. Wenn gar keine Regulierung der digitalen Monopole kommt, wird es sehr schwierig, guten Journalismus an die Menschen zu bekommen, weil sich die Digital-Plattformen null an unsere Regeln halten. Nicht nur in Steuerdingen, sondern auch rechtlich, weil sie als Plattformen gelten und nicht medienrechtlich für ihre Inhalte verantwortlich sind. Wenn das so bleibt und weiter so viel Geld da hin fließt, wird es sehr schwierig.
Ich glaube aber trotzdem, dass es dann noch immer guten Journalismus geben wird - dann wohl eher über Stiftungen und öffentlich-rechtlich. Wenn man es schafft, dass diese Plattformen sich an die selben Regeln halten müssen wie wir, dann sind die, glaube ich, sehr schnell weg vom Fenster."
Wie Milborn zeigte sich auch Zojer überzeugt, dass es auch in Zukunft noch guten Journalismus geben wird, wiewohl er - was sicher weniger gewagt ist als lineares Fernsehen totzusagen - einen weiteren Exitus der Tageszeitungen kommen sieht. Seine Hoffnung, der Macht der Social Media und Internet-Konzerne zu trotzen, besteht in einer „demokratischen, transparenten, vielleicht öffentlich-rechtlichen Plattform, auf der sich der demokratische Diskurs abspielen kann."
Nachrichten würden, so Zojer, von jungen Menschen eher konsumiert, wenn sie direkt angesprochen würden, „wenn es sie, in ihrer Lebensrealität direkt betrifft". Der „distanzierte Blick" des Zeitungsjournalismus sei überholt. „Ich hoffe, dass wir es schaffen, der emotionalisierten Logik der Online-Realität etwas entgegenzusetzen."
Laut ORF-interner Mediennutzungsforschung, zitiert nach Stefan Lenglinger, ist das Nutzungsverhalten immer noch relativ konstant. Sehr einfach gesagt: Junge Menschen sehen tatsächlich selten linear fern. Werden sie älter und sind eingebunden in regelmäßige Tagesabläufe - Kinder, Job - nutzen sie lineares Fernsehen stärker. Auch Lenglinger fordert vehement Regulatorien für die marktbeherrschenden US-Konzerne ein.
Was tun gegen die Flut an Fake News und bewusst lanciertem Unsinn?
Einen prominenten Stellenwert im Gespräch nahm der Umgang mit Fake News und bewusst lanciertem medialen Overkill („Flood the zone with shit", Ex-Tramp-Berater Steve Bannon) ein.
„Ich finde es wirklich schwierig, mit dieser Taktik umzugehen", bekannte Milborn. „Denn auseinandersetzen muss man sich damit ja doch."
So unsinnig Donald Trumps Dekrete und executive orders auch anmuten mögen - „du musst es trotzdem anschauen."
Dabei trotzdem im Kopf zu behalten, was wichtig ist, wird unter solchen Prämissen buchstäblich zum Balanceakt. Die Puls 4-Gruppe hat dabei den kleinen Luxus, Themen auf dem News-Sender Puls 24 breit behandeln und in geraffterer Form in den Nachrichten auf Puls 4 und ATV präsentieren zu können.
Indessen besteht die wirklich schwierige Übung in der selektiven Gewichtung von Nachrichten.
„Wir haben", sagt Lenglinger, „als Journalist*innen die Verpflichtung, auszuwählen: Was ist so relevant, dass man es dem Publikum in der Tiefe unterbreiten muss, und was ist eher Lärm, der aufregen soll. Das ist, gerade in Zeiten, wo Redaktionen immer dünner besetzt sind, eine enorm schwierige Aufgabe. Was uns im ORF hilft, sind die Korrespondent*innen. Aber im großen und ganzen ist das eine großen Herausforderung, die mit den sozialen Medien kommt: Dass das ein 24/7 Loop ist, und ständig Dinge dabei sind, die designt sind, uns aufzuregen und die Gefahr mit sich bringen, dass irgendwann eine Art Abstumpfung in der Gesellschaft eintritt. Wenn ich irgendwann die 40. Meldung über etwas Wahnsinnges, das Trump gemacht hat, höre, lässt bei mir irgendwann als Zuseher auch die Emotion nach."
„Ich finde, das besonders Schwierige bei Fakes ist, zu entscheiden, ab wann das für Menschen so relevant ist, dass man das aufklären muss oder ob man etwas größer machen würde, indem man sich überhaupt damit befasst.
Das war besonders in der Coronazeit schwierig. Da waren so viele absurde Theorien dabei, die aber doch viele Leute geglaubt haben - von den Würmer, die aus den Masken ins Hirn kriechen, bis zu den Chips, die implantiert werden. Da hat´s Fälle gegeben, dass Leute, die auf diese Fakes reingefallen sind, falsche Medikamente genommen habe, es sind sogar Menschen gestorben. Es war definitiv ein Gebot der Verantwortung, diese Fakes aufzugreifen und aufzuklären."