„Und jetzt, heute, fängt das neue Leben mal wieder (so wie jedes Jahr) mit guten Vorsätzen von vorne an. Oder mit einem leichten Kater, begleitet von den Klängen des immergleichen Neujahrskonzerts – falls Sie es verschlafen haben, Donauwalzer und Radetzkymarsch waren sicher dabei."
profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer, war nicht dabei, wie aus ihren obigen Worten in der heutigen profil-Morgenpoost zwingend hervorgeht.
Ist es noch besonders dissident, das Neujahrskonzert zu spritzen? Egal, Falter-Herausgeber Armin Thurnher war dabei. Auch er widmet sich in seiner heutigen, mal wieder messerscharf-genialen Seuchenkolumne kurz der vermeintlichen same procedure as every year, relativiert aber: „Nicht ganz, denn Christian Thielemann ist ein besonders guter Dirigent, der gerade als Deutscher die walzermäßigen Temporückungen Wienerischer Musik zelebriert wie kaum einer. Dabei gewinnt sogar der Donauwalzer neue Kontur."
Ein positives Resümee der diesjährigen Ausgabe des ersten Society-Spektakels des Jahres also? Was das Künstlerische angeht: ja. Nur: das Künstlerische ist beim Neujahrskonzert bekanntlich das Wurschteste der Welt. Und kommt bei Thurnher mit genau 224 Zeichen gegen über 3300 Zeichen unguter „Begleitmusik" aus.
Nicht nur gegen das offiziöse Österreich teilt Thurnher aus, sondern auch gegen das recht kleine Häufchen, das man altmodisch „politisch korrekt" und neumodern „woke" nennt. Leute, die sich pedantisch darüber alterieren, dass keine Frau des Neujahreskonzert dirigiert. Die bekannt „kompetente" grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger hat sich auf X/Twitter dahingehend geäußert (Anekdote: Es hat hat übrigens auch noch kein Mensch „of colour" das Neujahrskonzert dirigiert und ich erinnere mich an dieser Stelle, wie Franz Endler, angeblich ein „Doyen" der austriakischen Kulturkritik, 1982 als Gast des Publizistik-Lektors und Presse-Chefredakteurs Thomas Chorherr sagte: „Es muss ja nicht unbedingt ein Neger das Neujahreskonzert dirigieren."). Zur ebenso unvermeidlichen Beanstandung des „reaktionären" Radedtzkymarsches bemerkt Thurnher so kurz wie richtig, dass die Promis, die sich dazu im Musikverein die Hände wund klatschen, ohnedies nur sich selbst feiern - womit, glauben Sie, sind die sonst das ganze Jahr über beschäftigt?
Bruckner, jenseitig
„Mir geht anderes auf die Nerven", hebt Thurnher unheilvoll an und kommt nun auf das tatsächlich jenseitige Zwischenspiel zu sprechen, das dem Komponisten Autorin Bruckner gewidmet war (dessen Geburtstag sich heuer zum 200. Mal jährt). „Eine ideenfreie trostlose Kitschorgie." Ob man T.`s These, Bruckners Musik eigne sich nicht fürs Neujahreskonzert, teilt, ist Ansichtssache. Keine zwei Meinungen kann es aber beim folgenden Verdikt geben: „Schon gar nicht aber eignet sich seine Musik dazu, filmisch verkaspert zu werden. Man wollte Bruckners erhaben feierlichen Töne gewiss nicht lächerlich machen, man wollte sie bloß touristisch auftoupieren. Noch schlimmer. Die gesucht preziösen Bildchen, mit denen eine trostlose Regie diese Musik behängte, missglückten, eines nach dem anderen."
Auch die Ballett-Einlagen und Bilder aus dem Salzkammergut, das mit Bad Ischl die Kulturhauptstadt Europas stellt, wirkten wie Bilder aus dem Abfallkübel der Österreich Werbung - die können solche Tourismus-PR im Regelfall nämlich besser. Über drei Sunden verteilt verklumpen sich alle diese Mätzchen zu einer stumpfen Beliebigkeit: „Musik, Promis, Blumenschmuck – alles eins." Eine Gleichwertigkeit der übelsten Art.
„Wenn das", resümiert T., „die Kultur-Republik sein soll, die Heimat großer Kinder – und es ist zu befürchten, dass den Macherinnen so etwas vorschwebte – dann offenbarten sich diese Kinder als ästhetische Hochstapler. Die Republik legt mit diesen Statements einen künstlerischen Offenbarungseid ab."
Der ORF-Chef, der sehr oft ins Bild geschnitten wurde, grinst dazu selbstgefällig. Wie anders - von den Quoten her funktionierte das Spektakel ja auch diesmal bestens: Seherzahl in Millionenhöhe (1,14 ab 12.15), Marktanteil an die 60% - mehr als Alexander Van der Bellen, einer der Konzertgäste, abends bei der durchgeschalteten Neujahrsansprache des Bundespräsidenten (kulminiert: 1,13 Mio) erreichte.
Seit ewig und drei Tagen sticht das Neujahrskonzert auch das Neujahrsspringen bei der Vierschanzen-Tournee aus; 830.000 (48%) sahen den spannenden zweiten Durchgang in Garmisch.