Die Salatschüssel Steph_Loewe / Pixabay
07 Sep
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Die Salatschüssel

Ob Fan, ob Hasser - jede Fraktion bekam beim ORF-Sommergespräch mit Kanzler Sebastian Kurz, was sie begehrte: Versprechen, Opfer-Gehabe, Null-Flüchtlings-Politik.

Wir fangen, wie es sich gehört, ganz hinten an. Im Sommernachgespräch unter der Leitung Ingrid Thurnhers in ORF III analysierte Körpersprache-Experte Stefan Verra die Handhaltung des BK: die sehe aus, als würde er eine Salatschüssel beuteln. Es ist unglaublich, was man an so einem Fernsehabend alles lernt.
Wie sowohl Verra als auch zuvor schon Politologe Peter Filzmaier und profil-Ipo-Leiterin Eva Linsinger in der ZiB 2 richtig herausstrichen, waren die Prädispositionen der p.t. Seherschaft schon ganz klar gewesen, ehe Kurz im MQ überhaupt den Lift hinauf zur Libelle betreten hatte: Wer ihn liebt, hatte schon vorher die Kerzen am Altar entzündet und den Messwein entkorkt, wer ihn zum Teufel wünscht, hatte schon die Hölle vorgeheizt.

Auf Twitter hat ein User, dessen Identität für die Nachwelt zu konservieren wir schmählicherweise unterlassen haben, prophezeit, Kurz würde mindestens 20 Mal die Interviewerin nominell als „Frau Lorenz-Dittlbacher“ ansprechen. Weit daneben. Es waren 3,5 Mal. Die halbe Portion deshalb, weil der Kanzler, offenbar im Stress, einmal nur „Frau Dittlbacher“ sagte. Dafür könnten man ihm allerdings einen Viertel-Kompensations-Punkt einräumen (sind Sie rechnerisch noch dabei? Wir halten jetzt bei 3,75 Mal), denn wie zum Ausgleich für die Abkürzung sprach Kurz einmal die Moderatorin inklusive Vornamen an: „Frau Lou Lorenz-Dittlbacher“. Hat irgendwer einmal bei den Sommergesprächen „Herr Tobias Pötzelsberger“ oder „Frau Simone Stribl“ gesagt? Oder früher „Herr Rudolf Nagiller“? Nun, „Lorenz-Dittlbacher“ ist zweifelsfrei ein bisserl gemein - zum Merken wie auch zum Aussprechen. Verdammt, wie heißt die doch schnell?, tickt das Kleinhirn. Großhirn an Kleinhirn: Doppelname! Kleinhirn (tick, tick, tick): Lo… Lo… - Lou Lorenz-Dittlbacher (pf, das war knapp).

Der Name blieb übrigens das relativ Giftigste, das die Gesprächsleiterin dem Kanzler entgegenbrachte. Wenn auch Kurz bisweilen etwas nervös wirkte - die im Raum stehende Anklage wegen Falschaussage taugte ihm sichtbar nicht wirklich und das Thema Klimaschutz umkurvte er ziemlich hastig mit dem Versprechen von Steuererleichterungen - waren die Positionen doch zu klar, als dass ein echtes Konfliktgespräch entstehen hätten können. Dass er und damit Österreich keine Flüchtlinge, auch nicht prowestliche Frauen aus Afghanistan aufnehmen wird („Ich halte nichts davon, das Thema Migration auf Symbolpolitik zu beschränken"), war von vornherein nie in Diskussion gestanden und so bedeutete er Lorenz-Dittlbacher lakonisch: „Das wussten Sie sowieso“. Ein wenig überraschen konnte allenfalls die Klarheit, mit der Kurz einen neuerlichen Lockdon ausschloss. Klammer auf: für Geimpfte, Klammer zu.

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Das Sommergespräch von Lou Lorenz Dittlbacher mit Sebastian Kurz kann, wie immer sechs Tage lang, hier nachgesehen werden

 



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