Dieser durchgeknallte Pensionsbesitzer attackierte das ORF-Team Dieser durchgeknallte Pensionsbesitzer attackierte das ORF-Team Screenshot
10 Dez
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Das Gesicht Ischgls

Ein handgreiflicher Pensionsbesitzer, Wehleidigkeit, Halsstarrigkeit, Uneinsichtigkeit: Das Tiroler Alpen-Ballermann-Kaff fühlt sich als Opfer böser Medien (und des deutschen Karnevals).

„Etwas viel Rückschau und wenig Neues“ bemängelt der freie Journalist Florian Bayer auf Twitter an der auch an dieser Stelle groß angekündigten gestrigen „Am Schauplatz“-Sendung (attestiert aber auch ein „trotzdem sehenswert“).

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Beide Kritikpunkte stimmen - und das hat eine innere Logik und einen Zusammenhang. Die Ischgler sind beleidigt und stinksauer - nicht nur, aber besonders auf die Medien, nicht nur, aber besonders auf den ORF. Das war das wenig Neue. 

Dem war aber nicht immer so. Und das war der dramaturgische Sinn der tatsächlich recht vielen und langen Rückblenden auf den Jänner 2020, als die Welt in und für Ischgl noch in Ordnung war. Damals hat man sehr gerne mit dem ORF geredet - über die Geschichte des zu Reichtum gekommenen ehemals armen Bauernkaffs, über große Konzepte, über die Logistik in der Verköstigung der Gäste. Und über die Seilbahn, bei der augenscheinlich jedes Mitglied des augenscheinlich ausschließlich männlich besetzten Gemeinderats irgendeinen Posten ausübt.

Mittlerweile, angesichts der bekannten Vorwürfe, dass Gäste über die Virusgefahr im Ort bewusst irreführend (des)informiert worden waren, dass Seuchenherde zu spät dicht gemacht worden, der Skibetrieb zu spät eingestellt worden ist; wo Untersuchungsverfahren und Klagen laufen, werden Journalisten nicht mehr gerne im Ort gesehen. Das ORF-Schauplatz-Team um Ed Moschitz, das bereits im April von Ungereimtheiten und Widersprüchen im Ischgler Krisenmanagement berichtet hatte, schon gar nicht.

In „Das große Schweigen“, wie Moschitz seinen aktuellen „Schauplatz“-Lokalaugenschein in der derzeit stillgelegten Hochburg des Alpen-Ballermanns betitelte, ging die Feindseligkeit der „Eingeborenen“ gegen die ORF-Crew sogar bis zur körperlichen Attacke durch einen völlig jenseitigen und augenscheinlich nervlich schwer derangierten Pensionsbesitzer. Die Szene ist hier im Video, das genauso wie in der ORF-Mediathek noch eine Woche angesehen werden kann, ungefähr ab Minute 35:40 zu sehen. Ein paar Leute redeten immerhin, ein paar suchten sogar nach Ursachen. Auffällig oft wurden sie bei deutschen Gästen, die vorher den Karneval gefeiert hatten und so die Seuche ins heilige Land eingeschleppt und verbreitet hätten, gefunden.

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„Leider hat man in Ischgl bis heute Krisenkommunikation nicht gelernt, wenn man den Interviews lauscht. PR für den Skiort schaut anders aus“, sagt sogar Heidi Glück, einst Pressesprecherin des schwarz-blauen Koalitionsführers Wolfgang Schüssel und enge Vertraute jenes Bundeskanzlers Sebastian Kurz, dessen türkise Erfüllungsgehilfen, allen voran Karl Nehammer, zwar immer heftig auf Wien geschimpft haben, aber nie ein Wort der Kritik an Ischgl verloren hat. Die Witwe eines Journalisten, der sich dort mit Covid-19 infiziert hatte und nach einem Monat verstarb, stellt indes die Halsstarrigkeit und gefühllose Rechthaberei der Ischgler und Tiroler Entscheidungsträger auf berührende Weise in Frage: „Denen würde ich gerne in die Augen schauen und sie fragen, was würden Sie machen, wenn es Ihre Frau betroffen hätte? Hätten sie sich dann auch hingestellt und gesagt, ,Wir haben keine Fehler gemacht!’?“