Jörg Meyer, Chief Officer Content & Consumer Zattoo Jörg Meyer, Chief Officer Content & Consumer Zattoo Zattoo
06 Nov
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Das Puzzle hat sich zusammengefügt

Der TV-Streaming-Anbieter Zattoo ist seit 28. Oktober in Österreich aktiv. Nach 15 Jahren hat man sich entschlossen, nun den deutschsprachigen Markt ganz abzudecken.

Warum es so lange dauerte, welche Chancen Zattoo am Markt sieht und warum die GIS-Gebühren nicht das Thema sind, darüber sprach BranchenBlatt mit Zattoo Chief Officer Content and Consumer Jörg Meyer.

BranchenBlatt: Sie haben schon 2005 überlegt, nach Österreich zu gehen. Warum hat es so lange gedauert?
Jörg Meyer: Da kommen mehrere Faktoren zusammen. In unseren ersten Jahren haben wir schnell expandiert. Da hat sich dann herausgestellt: Es war zu schnell. Ab 2009 haben wir uns daher auf Deutschland und die Schweiz fokussiert. In diesen beiden Ländern wollten wir erst einmal zeigen, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Danach war unsere Strategie, Step-by-Step ein Land zu analysieren. Nach drei Punkten: Ist es der richtige Zeitpunkt für uns als Unternehmen? Gibt es die Rechte für TV-Streaming überhaupt? TV-Streaming wird in den meisten Ländern rechtlich immer noch anders bewertet als Kabelfernsehen. Und der dritte Punkt ist die Positionierung im Markt, der Aufbau der Marke, etc. In den vergangenen Jahren fehlte immer zumindest einer dieser Punkte. Und auch die Rechtesituation in Österreich erschien uns schwierig. Weil nicht ganz klar war, ob man die Rechte für das, was wir tun, lizenzieren kann. Jetzt ist es aber so, dass sich alle drei Puzzlestücke zusammenfügen. Wir können aus einer Position der Stärke das nächste Land in Angriff nehmen. Wir haben mit allen Rechteinhabern die Rechte geklärt. Dabei zeigten sich nicht zuletzt die Sendergruppen sehr partnerschaftlich uns gegenüber. Und mit der Krone haben wir einen starken Partner zum Thema Markenaufbau.


BB: Wie sind Sie zur Krone Multimedia gekommen?
Meyer: Die Kollegen von Krone sind vor ungefähr einem Jahr auf uns zugekommen. Sie wollten Geschäftsmodelle im Bewegtbildmarkt entwickeln, insbesondere im Bereich Streaming. Dazu haben wir uns gemeinsam verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit angeschaut. So sind wir auf das jetzt gestartete Partnerschaftsmodell gekommen.

BB: Es gibt viele Streaminganbieter, Internetanbieter haben eigene TV-Bouquets, die man auch online abrufen kann … Ist der Markteintritt jetzt nicht schwieriger als vor 15 Jahren?
Meyer: Ja und nein. Ja, es ist mehr Wettbewerb da. Aber das Marktumfeld ist ganz anders, die Bereitschaft der Konsumenten ist ganz anders und die technologischen Möglichkeiten sind ganz anders. Vor 15 Jahren war Zattoo eine Software, die man auf den PC herunterladen musste, um in mehr oder minder guter Qualität fernzusehen. Heute wird Zattoo in erster Linie auf dem Fernseher genutzt. Das ist ein ganz anderer Mehrwert als vor 15 Jahren. Die ersten Jahre haben wir Zattoo als Dienst positioniert, der ergänzend zum Kabel- oder Satellitenanschluss genutzt wird. Heute können wir sagen: Außer Zattoo braucht der Nutzer keinen Fernsehanbieter. Dass es mehr Wettbewerb gibt, ist uns bewusst. Wir sehen das eher sportlich und positiv: Nun sind wir nicht alleine, wenn es darum geht, den Nutzern auch andere Bewegtbild-Technologien nahe zu bringen.

 

BB: Wenn die Menschen ohnehin das TV Gerät benutzen, warum sollten sie dann Zattoo aufrufen? Warum nicht ganz normal die Sender am TV drücken?
Meyer: Ein Beispiel: Umzug. Ein Internetanschluss ist unumgänglich. Dann hat man aber noch zwei Fernseher und sucht ein entsprechendes Angebot. Der bisherige Anbieter von Kabelfernsehen bietet vielleicht keinen Anschluss an der neuen Straße. Also muss man sich nach neuen Möglichkeiten umschauen. Vielleicht eine Satellitenschüssel ausprobieren, aber welchen Receiver sollte man dazu nehmen und wo muss man sich die neuen Geräte erst einmal freischalten lassen, damit man fernsehen kann? In jedem Fall muss man viel Zeit und Geld investieren um wieder fernsehen zu können. Für Zattoo benötigt man nur das Internet, lädt die Zattoo App herunter, registriert sich in der App und kann direkt fernsehen. Und wenn es einem nicht zusagt, kann man jederzeit sein Abo kündigen und sich doch für eine der komplizierten Varianten entscheiden. Was die Internetanbieter angeht: Es ist richtig, dass die häufig eine TV-Streaming-Lösung haben. Die lässt sich aber oft nur im Netz des Anbieters nutzen. Und in der Regel kann ich den Service dort auch auf mehreren Geräten gleichzeitig schauen, jedoch nicht ohne zusätzliche Kosten auf mehreren Fernsehern gleichzeitig. Wir erwarten übrigens nicht, dass morgen alle Österreicher ihre Fernsehverträge kündigen und zu Zattoo wechseln. Unsere Erfahrung aus der Schweiz und Deutschland haben uns gezeigt, dass sich eine TV-Streaming Nutzerschaft Stück für Stück aufbaut und man für unser Geschäftsmodell einen langen Atem braucht.

BB: Die Jungen, so heißt es, nutzen mobile Devices oder PC, weniger den Fernseher. Wäre das eine ideale Zielgruppe?
Meyer: Der Durchschnitts Zattoo-User in Deutschland und der Schweiz ist zwischen 35 und 42 Jahre alt. Zudem wird Zattoo in erster Linie auf dem großen Bildschirm geschaut. In der Schweiz und Deutschland sind es 75 bis 80 Prozent aller geschauten Minuten. Bei den jüngeren Zielgruppen ist sicherlich Netflix ein großes Thema. Aber auch Netflix wird hauptsächlich am TV-Schirm geschaut. Viele in der jungen Zielgruppe haben einen großen Monitor oder ein Fernsehgerät, an dem zumindest die Spielkonsole angesteckt ist. Da ist es auch ganz einfach, Zattoo mit zu nutzen. Trotzdem zielen wir mit unserem Dienst jetzt nicht speziell auf die Jungen. Wenn man sich unsere Nutzerschaft anschaut, stellt man fest, dass Zattoo eigentlich in der breiten Bevölkerung angekommen ist.

BB: Wird es über Zattoo auch Zugänge etwa zu Netflix etc. geben?
Meyer: Wir werden auch in Österreich unser Angebot mit Partnern ausbauen. Aber mit Partnern, deren Angebote in der Zattoo Oberfläche geschaut werden können. Das halten wir auch in der Schweiz und Deutschland so. Da gibt es etwa Themenkanäle, in denen einzelne Partner Inhalte anbieten, die aber komplett in der Applikation laufen. Was wir nicht machen, ist, das Abo mit anderen Abos zu bündeln. Wir kommen nicht aus der Welt des Bundle.

 

BB: In Österreich gibt es ja eine rege Diskussion um die GIS-Gebühren. Sind Sie damit konfrontiert worden, dass man mit ihrem Angebot diese Gebühr umgehen könnte?
Meyer: Ich muss sagen: Auf die Idee bin ich nicht gekommen. Wir haben mit der Rundfunkgebühr nichts zu tun. Wir positionieren uns auch nicht als diejenigen, mit denen man die GIS umgehen kann. Im Gegenteil: Unser Fokus liegt ja gerade auf den Connected TVs.

BB: Wie sieht’s denn mit Werbung aus? Verkaufen Sie auch Pre-Rolls?
Meyer: Bei der Nutzung der linearen TV-Sender gibt es keine Werbeeinblendungen, außer den von den Sendern gezeigten Spots. Grundsätzlich setzen wir auf Einnahmen aus unseren TV-Abos. Auch wenn man eine Sendung aus dem Catch-Up abruft, wird nur die vom TV-Sender ausgespielte Werbung zu sehen sein. Sehr wohl haben wir aber auch einen werbefinanzierten On-Demand-Bereich. Dort werden in der Regel Mid-Rolls geschaltet um mit den Erlösen unsere Inhalte-Partner finanziell zu kompensieren.

BB: In welchem Zeitrahmen werden sie eine erste Bilanz ziehen?
Meyer: Ich würde sagen: nach sechs Monaten wissen wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht. Das liegt in erster Linie daran, dass man schwer einschätzen kann, wie schnell es am Anfang geht. Dass wir Stück für Stück wachsen, davon sind wir überzeugt. Ob es in den ersten drei Monaten aber nicht vielleicht doch einen Treppeneffekt geben wird, kann man dagegen nicht sagen. Eine der stetigsten Fragen bei unserem Customer Service lautet: Wann kommt ihr denn nach Österreich? Das geht seit zehn Jahren so. Ich könnte mir also vorstellen, dass zum Start doch der Zulauf größer sein könnte.