Freud: Die erste ORF-Netflix Koproduktion Freud: Die erste ORF-Netflix Koproduktion ORF/Satel Film/ Bavaria Fiction/Hans Starck
27 Nov
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Rasante Zukunftsreise

Fernsehen ändert sich. Schneller, als manche glauben. Darüber machen sich auch die Contentproduzenten so ihre Gedanken.

Also lud die association of austrian filmproducers (aafp) zum Produzententag. Unter dem Motto Das dritte goldene Zeitalter des Fernsehens. Denn auch wenn die TV-Stationen unter der neuen Konkurrenz maulen: Für die Produzenten, Schauspieler, Cutter, Regisseure, etc. sind es keine schlechten Zeiten. Noch. Denn Content ist gefragt wie selten zuvor. Mit der steigenden Zahl der Anbieter steigt naturgemäß auch die Nachfrage. Wird es also so bleiben? Und wie wird es in zehn Jahren aussehen? Damit beschäftigte sich der von Harald Fidler und Doris Priesching, beide Standard, moderierte Nachmittag.
Gleich zu Beginn ging es ans Eingemachte: Alexander Mogg von Deloitte Deutschland präsentierte vier Szenarien, in die sich die Branche in den nächsten zehn Jahren entwickeln könnte. Die Szenarien unterscheiden sich je nachdem, ob die Plattformbetreiber oder die Contentbetreiber dann global das Sagen haben. Sprich, die Klinke zum Kunden in der Hand haben. In beiden Fällen ist wohl mit einer starken Konzentration zu rechnen. In der die traditionellen TV-Betreiber entweder ganz verschwinden oder als lokale Zuarbeiter ihr Auslangen finden müssen.
Weit fragmentierter ist der Markt, wenn er auch lokal ausgerichtet ist. Das setzt allerdings voraus, dass der Gesetzgeber, sprich die EU, den Markt auch entsprechend reguliert. Und die lokalen Anbieter schützt. Unter diesem Schirm würden sich dann auch Allianzen unter globalen und lokalen Betreibern bilden, um dem Publikum ein entsprechendes Bouquet bieten zu können. Denn: Die 12 oder 20 Mrd. Dollar, die Netflix oder Disney in Produktionen investieren, und zwar in einem Jahr, die gibt es etwa hierzulande schlicht und ergreifend nicht.
Gemeinsam in allen Szenarios: Für die Zuseher wird es in zehn Jahren keine Rolle mehr spielen, ob Fernsehen linear ist oder nicht. Das ist ihnen dann, gelinde gesagt, egal. Mogg fordert die klassischen TV-Sender daher auf, ihre technischen Skills rasch zu verbessern. Hier würde gegenüber den neuen Playern ein Rückstand bestehen, der sich in der Zukunft zu einem Wettbewerbsnachteil auswachsen könnte.
Und auch für die „Werbeagenturen“, gemeint sind wohl eher Mediaagenturen, hält Mogg in zwei der vier Szenarien schlechte Nachrichten bereit: Dort würde man sie nämlich aufgrund der ausgefeilten Technik nicht mehr benötigen. Dieses Geschäft würden die Plattformbetreiber übernehmen.
Die Goldgräberstimmung auf Produzentenseite, so Mogg, werde wohl noch etwas anhalten. Über kurz oder lang werde es aber zur Konsolidierung kommen. Je nachdem, wie global sich der Markt ausrichte, werde für lokale Produzenten mehr oder weniger abfallen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion gab sich vor allem Heinrich Ambrosch, Geschäftsführer der Satel-Film, optimistisch. Wohl auch aus seinen kürzlichen Erfahrungen mit der Netflix-ORF Koproduktion Freud. Was ihm allerdings noch fehlt, sind steuerliche Anreize, wie sie etwa in Tschechien oder auch in Holland geboten werden. In Tschechien geben sich dadurch die Filmproduktionen die Klinke in die Hand. Und Holland wurde so zum Großproduzenten für den internationalen Markt. Ähnliche Akzente sowie entsprechende Studios würde Ambrosch sich auch für Österreich wünschen.
Katharina Hiersemenzel von Netflix nutzte die Diskussion, um sich gegen Prognosen zur Wehr zu setzen, die Netflix aufgrund des Einstieges von Disney in einigen Jahren vom Markt verschwunden sehen. Man sei inhaltlich anders aufgestellt und gehe mehr auf die lokalen Märkte zu. Dies sei auch möglich, weil man von Werbung unabhängig agieren könne.
Apropos Werbung: Da hatte Matthias Lorenz, zuständig für das A1-TV-Angebot, noch einen Tipp für die klassischen Betreiber. Ob linear oder nicht: werbetechnisch müsse man sich an online orientieren. Und das Angebot an die Werbekunden genauso hinkriegen. Und ein paar Wermutstropfen hatte Lorenz noch parat. Der am stärksten wachsende Streamingdienst? Youtube. Davon hätten allerdings weder Produzenten noch TV-Plattformen etwas. Dafür wandern die Werbeerlöse dorthin.