Diese Seite drucken
Das letzte Relikt geht Ö3
14 Aug
geschrieben von 

Das letzte Relikt geht

Eberhard Forcher verlässt Ö3. Eine streng subjektive Erinnerung an einen ganz Großen eines einstmals guten Senders.

Wenn Leute meines Alters (60) von der „großen Zeit von Ö3“, einer Zeit, „wo Ö3 noch gut war“ oder allsowas sprechen, dann hat das jedenfalls eine schwer nostalgische Schlagseite. Natürlich haben solche Nostalgiker unterschiedliche, teils recht streng definierte Zeitfenster, wann Ö3 aufhörte, gut zu sein. Für mich liegt dieses Zeitfenster irgendwann in den mittleren 90er Jahren, als Ö3 zum „Hitradio“ umfirmiert und -formatiert wurde und alles, was am Sender einst gut gewesen war, zu FM4 und in geringerem Maß zu Ö1 wanderte oder schlichtweg eliminiert wurde. 

Es gab natürlich schon davor eine Menge Mist, aber eben auch tolle Programme: die „Musicbox“ natürlich, den „Nachtexpress“; beizeiten auch „Treffpunkt Ö3“, abhängig davon, wer moderierte, die „Radiothek“ am Samstag, hin und wieder Ö3 Spezial und als Sonderfälle die Büchersendung „Seitenweise“ und die weltmeisterlich blöde Comedy-Sendung „Radio Gaga“.
Alle diese hier aufgezählten Sendungen hat - die Musicbox“ weitgehend ausgenommen - Eberhard Forcher gestalterisch und/oder moderierend markant mitgeprägt.
Er war quasi der Verbinder zwischen dem „Mainstream“ und den „Wilden“ der „Musicbox“-Fraktion; konnte genausogut eine gepflegt normalverbrauchertaugliche Musikauswahl für „Seitenweise“ zusammenstellen wie auch das ausgefallenste Programm für den „Nachtexpress“. Nicht einmal hartgesottensten Geheimtipp-Fetischisten wäre es eingefallen, Miles Davis´ „Siesta“ zur Platte des Jahres (1987) zu küren. Dass Forcher als (durchaus erfolgreicher) Musiker für sich und seine Begleitband in Anlehnung an einen ebenso großen wie erfolgreichen US-Songwriter und Rockstar den Namen „Tom Pettings Hertzattacken“ wählte, zeigt wiederum seine Neigung zum Populären.
Als Moderator schickte er mit wahrhaft lockerer Zunge einige unvergeßliche Sprüche in den Äther: „Musik für Leute, die vor und nach dem Sex duschen“ beschrieb er den sterilen Bombast-Rock der Gruppe Asia. Er scheute aber auch nicht vor klaren Gesten zurück: Als sich Anfang 1991 der Aktuelle Dienst in seinen „Nachtexpress“ einschaltete, um den Beginn jener US-Invasion im Irak bekanntzugeben, die wir heute als Ersten Golfkrieg kennen, hielt er es für angezeigt, sich vom Mikrophon zurückzuziehen.
Vielleicht lag es an seiner Vielseitigkeit, dass Eberhard Forcher als letztes Relikt des „guten“ Ö3 dann auch noch lange - mehr als zwei Jahrzehnte - beim „Hitradio“ blieb. Jetzt geht diese Ära freilich zu Ende: Am Sonntag moderiert der gebürtige Osttiroler, der zwei Tage zuvor (Fr., 16.) seinen 65. Geburtstag feiert, zum letzten Mal sein „Solid Gold“. Er geht nicht ganz freiwillig, wird es aber verschmerzen. Via Superfly und mit einem „Solid Gold“-Ableger im einen oder anderen Landesstudio wird er weiter im Radio zu hören sein. Er wird auch weiterhin auf Talentsuche für den Song Centest gehen und natürlich seine in OktoTV ausgestrahlte Plattform „Austrozone“, die nicht unwesentlich zur Hausse österreichischer Popmusik beigetragen hat, weiterbetreiben.
Eberhard Forcher wird uns also erhalten bleiben. Seine Demission von Ö3 aber ist für unsereins, die wir uns sowieso schon vor Jahrzehnten FM4 oder Ö1 zugewandt haben, der perfekte Anlass, um nun auch symbolisch den Deckel auf das „Hitradio“ zu hauen.

bj