Ein unbekannter Schindler: Imre Komros, nun Held eines preisgekrönten „Hörbilder"-Porträts Ein unbekannter Schindler: Imre Komros, nun Held eines preisgekrönten „Hörbilder"-Porträts ORF
25 Jun
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„Hörbilder“-Zweiteiler in New York vergoldet


„New York Festivals International Radio Award“ für Spurensuche nach einem widersprüchlichen Helden des Widerstands.

Ein „New York Festivals International Radio Award“ ist für eine Radiosendung sowas Ähnliches wie ein Oscars für einen Film: Ungefähr die prestigeträchtigste Auszeichnung, die in der Branche zu vergeben ist. Eine Ausgabe der Ö1-Reihe „Hörbilder“ hat sie geschafft. Das von Natasa Konopitzky gestaltete Feature „Mein Glück ist, dass mich mein Glück nicht verlässt ...“ holte bei der gestrigen Gala in Manhattan Gold in der Kategorie „Documentary/Heroes“. Ö1 wiederholt den solchermaßen dekorierten Zweiteiler am 1. und 2. November 2019 in den Ö1-„Hörbildern“ sowie als vierteiligen Ö1-„Hörbilder“-Podcast.

Konopitzky begibt sich in dem aufwändig recherchierten Feature „ auf Spurensuche nach ihrem Stiefgroßvater, der in den 1940er Jahren vielen Verfolgten das Leben rettete und trotzdem unbekannt geblieben ist. „Meine Mutter hat immer schlecht über ihren Ziehvater geredet: Imre Kormos soll unnahbar gewesen sein, egozentrisch und außerdem ein Angeber. Er hat behauptet, 1944 in Budapest als Nazi verkleidet Juden gerettet zu haben. Meine Mutter konnte das nie glauben: Wie soll einer, der selbst Jude ist, in Nazi-Uniform herumspazieren und anderen Juden das Leben retten? In einer Zeit, in der Hunderttausende ungarische Juden ermordet wurden und meine Großmutter mit viel Glück in verschiedenen Verstecken überlebte? Ich bin mit den Erzählungen über ihn aufgewachsen – in jener Wohnung in der Wiener Innenstadt, in der er und meine Oma gewohnt hatten. Erst Jahre später las ich die Dankesbriefe an ihn aus den USA, Israel, Australien und Brasilien.“
Sie fand heraus, dass Kormos mehr als 1.000 Menschen versteckt, unzählige Juden und Jüdinnen mit falschen Papieren versorgt und zu Kriegsende eine Privatarmee von Deserteuren befehligt hat. „Das war“, sagt Konopitzky, „der Beginn meiner langjährigen Suche. Ich stieß auf Familiengeheimnisse und stöberte Zeitzeug/innen in Ungarn und in den USA auf, die ihm ihr Leben zu verdanken hatten. In den Archiven fand ich bisher unzugängliche Gerichtsakten, die seine außergewöhnlichen Taten bestätigten und auch seine Niederlagen dokumentierten. Mit der Zeit konnte ich die abenteuerliche Geschichte eines widersprüchlichen Mannes rekonstruieren, dessen Leben die Geschichte des 20. Jahrhunderts und seiner diktatorischen Regime abbildet. ‚72 Jahre ist wahrlich kein hohes Alter, aber was ich in dieser Zeit erlebt habe, würde auch für 200 Jahre reichen‘, schreibt Imre Kormos kurz vor seinem Tod.“

Jährlich vergeben die „New York Festivals“ Radiopreise für die weltweit besten Radiosendungen. Radiostationen aus mehr als 35 Ländern haben heuer Sendungen eingereicht. Die Jury der „New York Festivals International Radio Programs & Promos Awards“ besteht aus namhaften Repräsentanten der Medienszene aus aller Welt. Sie beurteilt Produktionsdetails, Organisation, Informationspräsentation, Kreativität und den Nutzen für das Medium.