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28 Mai
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Verstehst du keinen Spaß?

Michael Rami, Anwalt von Raphaela Scharf, Katia Wagner und bald weiterer Frauen in der Causa Wolfgang Fellner, äußert sich im Podcast Ganz offen gesagt umfassend zu Gewalt gegen Frauen, die Muster, nach denen sexuelle Übergriffe durch Chefs abzulaufen pflegen und warum der Vorwurf einer Krone-Kampagne unsinnig ist.

 

Bekanntlich hat Wolfgang Fellner vor Kurzem einen Teil seiner Unterlassungsklage gegen seine ehemalige Mitarbeiterin Raphalea Scharf zurückgezogen. Er klagt die frühere Oe24TV-Moderatorin nicht mehr wegen des Vorwurfs, sie sexuell belästigt zu haben, sondern wegen ihrer Aussage, er habe sie bei einem Fotoshooting begrapscht. Da - Überraschung! - alle als Zeugen einvernommenen aktiven Oe24-Mitarbeiter ausgesagt haben, nichts gesehen und nichts gehört haben - ein ehemaliger Betriebsrat erzählt allerdings, wie dem Standard zu entnehmen ist, etwas ganz Anderes - lässt sich Fellner in seiner eigenen Zeitung in gewohnter Manier abfeiern (siehe dazu auch Tweet des Tages). Anderswo liest man, er und seine Verteidigung hätten sich vor der Einvernahme der Zeugin Katia Wagner gedrückt. Wagner, selbst mutmaßliches Belästigungs-Opfer Fellners - es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung - hätte viel Interessantes zu erzählen gehabt.

Michael Rami vertritt sowohl Raphaela Scharf als auch Katia Wagner vor Gericht. Im Gespräch mit Barbara Kaufmann äußert er sich im Podcast Ganz offen gesagt umfassend zum Komplex Sexuelle Belästigung, den er als Vorstufe zu Gewalt gegen Frauen versteht: „Beiden Fällen liegt eine Geringschätzung von Frauen zugrunde.“
Bei diesem Thema macht Rami, der früher auch durchaus weniger sympathische Zeitgenossen wie Herbert Kickl oder H.C. Strache vertreten hat, mobil. Er hatte auch der grünen Klubsprecherin Sigi Maurer Beistand angeboten, als diese vom sogenannten „Bierwirt“, der mittlerweile des Mordes angeklagt ist, belästigt und dann auch noch verklagt wurde. „Belästigungen am Arbeitsplatz sind, besonders wenn sie vom Chef ausgehen, einfach widerwärtig. Und es ist mir ein wirklich ein persönliches Anliegen, solche Dinge abzustellen, soweit es in meiner Macht steht.“
Opfern von sexueller Belästigung empfiehlt Rami möglichst detaillierte Gedächtnisprotokolle. „Das Gedächtnis ist etwas sehr trügerisches und nach ein paar Monaten weiß man nicht mehr so genau, was genau irgendwo passiert ist. Man weiß nur mehr, es war unangenehm. Besser ist, zeitnah Details niederzuschreiben. WhatsApp-Nachrichten und dergleichen sichern. Wenn es wirklich unangenehm wird, empfehle ich, sich Beratung einzuholen. Bei Anwälten, bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Man ist nicht schutzlos.“

Die Täter agieren, hat Rami beobachtet, nach bestimmten, sich wiederholenden Mustern, die Opfer ebenfalls. „Das ist ein interessanter Prozess. Die Täter gehen meist so vor, dass sie ihr Opfer zunächst einmal isolieren. Mit Komplimenten und Versprechungen. Aber um das zu konkretisieren, müsse man sich privat treffen. Geh´n ma mal abendessen, ein klassisches Beispiel. Die Opfer spüren ohnedies oft, dass da jetzt etwas schiefläuft, sich nicht mehr im normalen Arbeitsrahmen bewegt, aber sie verleugnen sich selber und ignorieren diese inneren Warnsignale: Wenn ein Chef was besprechen will, muss man dafür nicht abendessen gehen. Wenn es zu Übergriffen kommt, merken die Frauen ganz genau, dass jetzt etwas passiert ist, das nicht in Ordnung ist, aber versuchen das irgendwie zu überspielen und zu rechtfertigen. ,Hab ich falsche Signale ausgestrahlt? Er hat das sicher nicht böse gemeint’, und ähnliches. Man muss einfach mehr auf seine Instinkte hören. Ein systemisches Problem ist, dass es dann oft heißt: Stell dich nicht so an! Verstehst du keinen Spaß? Nimm das doch nicht so ernst! Aber das ist kein Spaß und es ist immer ernstzunehmen."

Da Rami rechtlich auch die Krone vertritt und Scharf und Wagner heute bei deren TV-Sender arbeiten, waren Fellner und seine Rechtsvertreter schnell mit der Behauptung zur Hand, hinter den Vorwürfen stecke eine Kampagne des Boulevard-Konkurrenten. Rami entkräftet dieses Argument mit der Tatsache, dass der Prozess gegen Scharf seit bereits Mitte 2019, wo die Moderatorin noch lange nicht bei Krone-TV angedockt hatte, läuft. „Es haben sich bei mir ja auch schon weitere Opfer gemeldet, die überhaupt nichts mit der Kronen Zeitung zu tun haben.“
Und da ist die Katze aus dem Sack und Klarheit in einer bislang unterschwellig im Raum stehenden Frage geschaffen: Es werden weitere mutmaßliche Fellner-Opfer vor Gericht gehen. „Es haben mich weitere Frauen mit ganz ähnlichen Erlebnissen laut ihren Schilderungen kontaktiert - das wird noch ein größeren Thema werden, glaube ich.“

 



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