Richtig zählen ist schwer Ines Holzmüller / profil.at
24 Sep
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Richtig zählen ist schwer

profil veranstaltete im Club 20 eine Babyelefantenrunde zur Wien-Wahl mit allen Spitzenkandidaten. Ein Sessel blieb leer.

 

„Kann mich nicht erinnern, die letzten 8 Monaten bei einer Veranstaltung gewesen zu sein, wo so viele Menschen waren“. Sagte profil-Herausgeber Christian Rainer.
profil, war - wie im Vorjahr anlässlich der gefühlt Lichtjahre zurückliegenden Nationalratswahl - Gast des nicht unumstrittenen Unternehmers und Projektentwicklers Michael Tojner im Club 20 des Hotels Intercontinental. Natürlich war die bevorstehende Wien-Wahl Anlass, und alle Spitzenkandidaten tanzten artig an, um sich unter der Leitung der profil-Granden Rainer und Innenpolitik-Chefin Eva Linsinger der Diskussion zu stellen: Bürgermeister Michael Ludwig, SPÖ, Gernot Blümel, ÖVP, Birgit Hebein, Grüne, Dominik Nepp, FPÖ, Christoph Wiederkehr, NEOS. „Der sechste Sessel war ein Irrtum, ich schwöre es“, verwies Rainer auf die leergebliebene lederne Sitzgelegenheit. „Wir tun uns auch schon mit dem Zählen schwer“ spielte Linsinger auf die undurchsichtige statistische Erfassung von Corona-Infizierten an.
Der Pandemie wurde selbstverständlich mit Abständen und geordnetem Abzug aus dem Club 20 Referenz erwiesen; und ja, auch der Kalauer von der Babyelefantenrunde wurde gnadenlos strapaziert. Und natürlich war Corona auchein inhaltlicher Schwerpunkt der Diskussion (die hier im Podcast nachzuhören ist nachzuhören ist). Wien wird ja diesbezüglich - besonders seitens der Bundesregierung - gerne als Problemfall hingestellt.
Große Uneinigkeit herrschte bei der Einschätzung, wie gut die Regierung mit der Pandemie fertiggeworden ist. Blümel, der ja auch Finanzminister der Republik ist, sah sie - nicht wirklich überraschend - positiv, verwies auf die Hilfspakete und biss damit insbesondere bei Nepp auf Granit. „Wie Sie wissen, haben wir ein Familienunternehmen mit 21 Mitarbeitern“, sagte der blaue Spitzenkandidat. „Bei uns ist nichts angekommen. Und was Sie verursacht haben, Herr Blümel, ist ein totales Chaos. Die zwei größten PR-Lügen, die Sie jemals aufgetischt haben, lauten: ,Wer schnell hilft, hilft doppelt’, und ,Koste es was es wolle’. Denn diese 50 Milliarden, die Sie anpreisen, sind nie bei den Unternehmen angekommen.“ Als Blümel unterbrach, versetzte er: „Lassen´S mich doch einmal ausreden. Werden´S nicht immer gleich nervös, wenn man Ihre Fehler aufzeigt.“ Und weiter ging´s mit guten Vorschlägen: „Verschanzen Sie sich nicht im Finanzministerium, dieser Tintenburg, sondern gehn´S einmal hinaus zu den Menschen und reden´S mit ihnen.“
Auch Wiederkehr zeigte sich angriffig und fand sein lohnendes Ziel im Finanzminister. „Ich sehe in Wien Betriebe, die sich nicht unterstützt fühlen, Hilfen, die viel zu kompliziert sind oder überhaupt nicht ankommen.“
Die grüne Spitzenkandidatin Hebein spielte die Klaviatur der Gefühle, verwies auf die Be- und oftmalige Überlastung der Frauen gerade in Krisenzeiten und erinnerte - so muss man das fast ausdrücken - an die eigentliche Agenda ihrer Partei, den Klimaschutz. Einmal allerdings wurde es auch für sie ungemütlich: Als nämlich die Rede auf die harte, natürlich von der ÖVP getragene, aber von den Grünen als Juniorpartner mitrepräsentierte österreichische Flüchtlingspolitik ging. „Im Grunde finde ich es eine unmenschliche Diskussion, die wir hier führen müssen“, sagte Hebein dann. „Wir haben in Wien entschieden, dass wir 100 Kinder von Moria aufnehmen, die unter unmenschlichen Bedingungen im Dreck leben. Und wir sitzen hier und bitten die türkise Partei ernsthaft, dass man menschlich sein darf.“
Nepp zäumte das Pferd von der anderen Seite her auf, indem er Blümel stellvertretend für die ÖVP für den Flüchtlingsansturm 2015 (mit)verantwortlich machte. „Wenn Sie jetzt so tun, als ob´S der harte Johnny wären und auf FPÖ-Wähler schielen, ist das ja ein Täuschungsmanöver.“
Bürgermeister Michael Ludwig hatte wenig Gründe, die Fassung zu verlieren. Zur Flüchtlingsthema räumte er salomonisch ein, dass die Aufnahme von 100 Kindern gewiss nicht das Problem als solche beseitige. „Aber man löst die Probleme von 100 Kindern.“