Formatradiotrotteln und Red Bull-Ö1 Screenshot, Jaschke
20 Jan
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Formatradiotrotteln und Red Bull-Ö1

Einer, der über Medien, besonders den Rundfunk, viel zu sagen hat, ist Walter Gröbchen. Endlich hat ihn ein Podcast eingefangen.

„Endlich im Podcast“: Einen Prä-„Himalaya“-Fast-Hit von Tom Pettings Hertzattacken paraphrasierend, verweist Walter Gröbchen auf Facebook auf den Podcast ausgruenden.at, in dessen neuester Folge er zu Gast ist. Sein kompetenter und einfühlsamer Gastgeber ist Stephanos Berger, Geschäftsführer der Agentur CIDCOM.
Übrigens birgt Gröbchens Referenz auf Eberhard Forcher, der sich hinter dem Rockstar-Pseudonym Tom Petting verborgen und seinerzeit ebenso wie er selbst seinen Lebensunterhalt hauptsächlich bei Ö3 verdient hat, einen bemerkenswerten symbolischen Fingerzeig: So wie Forcher war Gröbchen, wie er im Podcast sagt, „einer der wenigen Grenzgänger zwischen Kommerz-Ö3 und dem seriösen Feuilleton“: Er entwickelte das seinerzeit sehr beliebte Talk-Format „Freizeichen“, war aber auch einer der maßgeblichen Gestalter der „Musicbox“ und des „Nachtexpress“. Und so wie Forcher ging er nicht zu FM4, als Ö3 unter Senderchef Bogdan Roščić zum Formatradio niedergebügelt wurde.

Das stand Anfang 1995, als FM4 gegründet wurde, für Gröbchen allerdings auch nicht mehr ernsthaft zur Debatte. Denn da war er schon aus dem ORF-Radio ausgeschieden, arbeitete für diverse Musikkonzerne wie BMGWarner Music und Universal Music als A&R-Manager und zündete als solcher die Karriere des Ende der 90er Jahre gewaltig einflussreichen Hamburger HipHop-Trios Beginner (deren Rapper Jan Philipp Eißfeldt alias Eizi Eiz als Bildschirmfoto 2020 01 20 um 14.07.16Jan Delay später riesige Solo-Erfolge feierte). Heute betreibt Gröbchen das Plattengeschäft Schallter Records und vor allem das Label Monkey Music, das mit Künstlern wie Ernst Molden (Foto links, bei einem Ausflug auf der Donau), Der Nino aus Wien, Son of the Velvet Rat oder Das Trojanische Pferd großen Anteil am „Österreichischen Pop-Wunder“ hat. Daneben schreibt der Nimmermüde in der Wiener Zeitung die Kolumne „Maschinenraum“ (eine Auswahl davon erscheint dieses Jahr bei Milena in Buchform) und ist nicht zuletzt neben Gerhard Stöger, Thomas Mießgang und Florian Obkircher Autor des Buchs „WienPop. Fünf Jahrzehnte Musikgeschichte erzählt von 130 Protagonisten“, 2013 als eine der bemerkenswertesten Publikationen über die Wiener Populärmusik im Falter Verlag erschienen.

Walter Gröbchen, JG 1962, hat eigentlich nur eine vergleichsweise kurze Zeit seines (haupt)beruflichen Lebens - 1981 bis 1993 - beim Radio verbracht. Dennoch wird er damit - wohl auch, weil es ihm Türen zu späteren Karriereabschnitten geöffnet hat - bis heute am stärksten identifiziert. Gröbchen bestreitet auch nicht, dass noch immer sein Herzblut am Medium hängt. Und damit ist auch zu erklären, dass er dien Spezies Formatradio aus tiefster Seele verabscheut. „Ich halte Formatradio für die Pest. Alle diese Formatradiosender - es gibt auch öffentlich-rechtliche (lacht) - strahlen diese extrem verengte Sicht auf die Musikwelt aus. Diese Musikberater und was es da noch alles gibt - die kochen alle mit dem selben lauen Wasser. Einmal hat ein Radio mich als querdenkenden Berater oder Sub-Berater hinzugezogen. Der Mensch dort hat mir gezeigt, was sie spielen. Da sehe ich David Bowie. Von dem spielen sie aber nur ,Let´s Dance’ oder ,China Girl’ (das in Iggy Pop´s Originalversion von 1977 ungleich besser ist!!, Anm.). Der Mann hat doch unglaublich tolle Songs geschrieben - von ,Starman’ bis wasweißichwas. Nicht dass die auf die Idee kämen, das könnte Leute auch begeistern. Wenn du aber nachfragst, warum spielt ihr nicht ,Heroes’ - ein weltberühmter Song, den alle gern hören - kommt die Antwort: ,Das ist für das Radio nicht geeignet.’ Das ist dermaßen schwachsinnig - mich öden diese Formatradiotrotteln einfach an. Das ist das Elend des heutigen Radiomachens.“
Auch an Radio Wien lässt Gröbchen (obwohl er „mit Freude“ Angelika Lang hört) kaum ein gutes Haar: „Ein öffentlich-rechtlicher Sender, der keinen Ernst Moden, keinen Nino aus Wien spielt - das ist absurd! Wir haben gegenwärtig eine unglaublich spannende Musikszene, wovon nur ein kleiner Bruchteil auf Ö3 läuft und auch FM4 nur einen gewissen Bruchteil spielen kann. Aber da gibt´s so viel, was auch populär wäre - es kann doch nicht sein, dass anstelle dessen zum 198.000 Mal „Tell Me a Poem’ von Papermoon aus 1992 läuft. Ich möchte was von der Stadt heute hören!“
Im Übrigen verliert Gröbchen freundliche Wort über seinen Ex-Chef Rudi Klausnitzer, der kürzlich bei Wolfgang Fellners Radio Austria angedockt hat, erzählt, dass in Diedrich Mateschitz’ Imperium einmal die Idee einer Art „Red Bull-Ö1“ kursierte und macht sich im Übrigen um die Zukunft des Radios, das ein „stark emotionales“ Medium sei, wenig Sorgen.

Der Podcast ist, eher ungewöhnlich, durch Musik unterbrochen. Praktischerweise stammt sie von der 2019er-Ausgabe des „Wien Musik“-Samplers, den Gröbchens Label Monkey Music seit 2010 jährlich herausbringt und der einen repräsentativen Überblick über die kontemporäre Popmusik dieser Stadt gewährt. Um die Rechte musste also nicht lange gefeilscht werden.