„Nur 8000 Leser" Wiener Zeitung
06 Okt
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„Nur 8000 Leser"

Mit diesem vulgären, faktisch nicht einmal richtigen Argument rechtfertigt „Medienministerin" Raab die Liquidation der Wiener Zeitung.

 

Nächstes Jahr würde die Wiener Zeitung 320 Jahre alt. Konjunktiv. Denn in ihrer gedruckten Form wird sie das Jubiläum nicht mehr erleben. Die angebliche Medienministerin Susanne Raab - ein Überbleibsel aus der türkisen „Familie" um Sebastian Kurz - hat de facto ihre Liquidation verfügt: Umstellung auf Online-Medium, gedruckt nur mehr im Monats-Rhythmus, zehn mal im Jahr. Abgesehen von der hochgradigen Anfechtbarkeit der Zahl - laut Angaben ihres Chefredakteurs Walter Hämmerle hat die WZ in der Woche 20.000 Auflage und am Wochenende doppelt so viel - offenbart das Argument die vulgäre Boulevard-Logik der Türkisen: Gut ist, was große Reichweite hat und sich als Propagandamedium eignet. Österreich hat wie jedes die Politiker, die es verdient. Damit hängt zusammen, dass die Zahl der Qualitätsmedien noch kleiner wird und die ohnedies schon beschämende Macht des primitiven Boulevards noch größer.

Walter Hämmerle fand schon gestern im Leitartikel die richtigen Worte für den unfassbaren Handstreich:
„Guter Journalismus ist keine Frage des Formats oder der Frequenz, von Print oder Online, sondern eine Frage der inneren Einstellung und der äußeren Möglichkeiten einer Redaktion.
Indem die Bundesregierung jedoch keine verlegerische Entscheidung getroffen hat, sondern ihren politischen Willen dekretiert, ist die Gefahr groß, dass die ,Wiener Zeitung‘ als Medium wie als älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt einen leisen Tod sterben wird.
Österreich hat von manchem zu viel und vom meisten ausreichend. Wovon die Republik mit Sicherheit zu wenig hat, das ist Qualitätsjournalismus der Art der ,Wiener Zeitung'. Die Medienpolitik der vergangenen Jahrzehnte hat maßgeblich zu diesem Zustand beigetragen."