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28 Mai
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Bürokratischer Slapstick

Wie schäbig Politik, Behörden, Banken und Versicherungen mit Klein-Unternehmern umgehen, beschreibt ein aufrührender Bericht in der Wiener Zeitung.

Seit 15. Mai darf die Gastro wieder aufmachen. Gegen Ende des Monats machen die ersten Betriebe auch schon wieder zu.

Mit den Häuflein, die zu ihnen kommen, ist kein Staat zu machen, auf jeden Fall nicht rentabel zu arbeiten.

Das Martyrium der Gastronomen und anderer Kleinunternehmer beschreibt ein eindrucksvoller Bericht von Solmaz Khorsand in der Wiener Zeitung. Er trägt den bezeichnenden Titel „Die Wut der Bittsteller“ und fokussiert die Lokalbesitzerin Farangis Firozian. Auf den ersten Blick scheint sie sogar noch eine Privilegierte ihrer Zunft zu sein, denn ihr gehört das Soul Kitchen in der Hinteren Zollamtstraße 2b, in Wiens Ministeriums-Hub im dritten Bezirk. Hier geruhen die Beamten und Mitarbeiter aus dem Finanzministerium, dem Bundesfinanzgericht, dem Verkehrsministerium, dem Finanzamt und dem Justizzentrum zu speisen. Nur, dass ein Großteil von ihnen derzeit, weil im Home Office, nicht da ist.

Versicherungen putzen sich ab

14.000 Euro muss Firozia monatlich für Miete, Löhne und Ware auslegen. Und monatlich zahlt sie 120 Euro für eine Betriebsunterbrechungsversicherung. Eine Versicherung, die verspricht, „da zu seine, wenn die Welt kopfsteht.“
Sie hat ihr Versprechen nicht gehalten und Null gezahlt, als am 17. März alle gastronomischen Betriebe zwangsweise geschlossen wurden. Denn eine Voraussetzung in der Vertragsklausel sei nicht länger gegeben: das Epidemiegesetz. Das hat die Regierung zu Beginn der Coronakrise außer Kraft gesetzt. Und damit den Versicherungen einen Freibrief gegeben, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Und davon haben sie auch alle Gebrauch gemacht. Einzig die Uniqa soll in Einzelfällen noch gezahlt haben.
Als die Versicherungen schnallten, dass das imagemäßig vielleicht ganz nicht so super ankam, schnürten sie Hilfspakete - mit Widerhaken: Sie zwangen die, die von ihnen Gebrauch machten, aus jegliche Ansprüche aus der Betriebsunterbrechungsversicherung zu verzichten. Da viele nicht warten können, bis die Frage, ob das Aushebeln des Epidemiegesetzes überhaupt verfassungskonform ist, rechtlich geklärt ist, haben sie die Almosen angenommen.
Gastronomin Firozian hat bei ihrer Hausbank um einen Überbrückungskredit angesucht und natürlich keinen bekommen.
und sie hat den behördlichen Spießrutenlauf satt. So wie alle Kleinunternehmen. Sätze wie „Wir lassen niemanden zurück“ oder „Koste es was es wolle“ sind zu Running Gags geworden.

Von Hilfe keine Rede

In einer Umfrage der Universität Wien geben 60 Prozent von 564 Wiener EPUs und KMUs den „Rettungs”maßnahmen der Regierung die Schulnote "Nicht Genügend“. In der Facebookgruppe "EPU Österreich - Gemeinsam durch die Corona-Krise" tauschen sich Klein(st)unternehmer aus. Das sei, heißt es im WZ-Artikel, „bürokratischer Slapstick in Echtzeit. Für jedes eingereichte Formular fehlt ein vorheriges, für jeden angesuchten Fördertopf zeigt der Finger in die entgegengesetzte Richtung und wieder zurück.“
Trotz ihrer miserablen Situation scheuen indes immer noch viele Betroffene die öffentliche Kritik an der Regierung, um nicht später behördlichen Schikanen ausgesetzt zu sein. Es hat sich ja schon gezeigt, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz sehr empfindlich gegen Kritik ist. Und sehr empfändlich für nette Gesten der Zuwendung, etwa Spenden. Ein Stefan Pierer oder René Benko könne das bestätigen.