Das althergebrachte Vorurteil, dass Frauen nichts vom Fussball verstehen, wollen wir hier nicht einmal ignorieren. Ute Baumhackl, Kulturredakteurin der Kleinen Zeitung, zeigt vielmehr, dass sie Fussball, Sport generell, als das versteht, als was er verstanden werden sollte: Als Abbild und Spiegel, beizeiten auch Wegbereiter und Schrittmacher gesellschaftlicher Entwicklungen.
Es geht lustigerweise aus Baumhackls Text über den Fussballer David Beckham, der seinen runden 50. Geburtstag begeht, nicht hieb- und stichfest hervor, ob sie überhaupt ein Fan seines Spiels ist.
Beckham Spezialität waren bekanntlich die ruhenden Bälle, das ist rein fussballerisch betrachtet nicht die Welt - was seine Publizität ausmachte, war sein öffentliches Auftreten.
„David Beckham hat mein Englisch-Vokabular erweitert. Wegen ihm weiß ich, was ,chavvy' ist. Er galt einmal als Inbegriff davon. Der Ausdruck beschreibt einen bestimmten Typus, der in Großbritannien gern verspottet wird: Leute, die sich zu großspurig kleiden und zu exaltiert stylen. Ihre Mode ist zu laut, zu glitzy, zu markenorientiert - sie setzen teuer mit gut gleich, behängen sich mit zu viel Schmuck, und ihr gesamtes Ringen um Distinktion demonstriert, wie indistinguiert sie in Wahrheit sind."
Das ist der Beginn einer Hommage.
Der „Chav", kommt aus der Unterschicht, und das geht im klassenbewussten UK genauso wenig wie parvenuhaftes Auftreten. Der Spott der britischen Presse über ihn und seine Frau Victoria Adams, die Posh Spice der Spice Girls („posh", noch so ein schöner Ausdruck, kann in dem Zusammenhang mit „auf vornehm machend" übertragen werden) fiel dementsprechend aus.
Beckham ließ sich - und das zeichnet Baumhackl als seine eigentliche Leistung aus - nicht beirren, „experimentierte mit wunderlichen Frisuren, ließ sich im Lauf der Jahre um die 60 Tattoos stechen, modellierte erst seinen Körper zur Muskelskuptur und dann fast nackt für einen Unterhosenhersteller.
Derlei ist heute in Kickerkreisen quasi Standard. In den Jahren der Jahrtausendwende war das beispiellos, ja skandalös; Beckham musste wirklich sehr viele Tore schießen und Verletzungen überstehen, um seine fußballerische Männlichkeit zu beweisen und bekam dann erst recht das Etikett des „Metrosexuellen“ aufgedrückt."
Lukrativen Werbeverträgen war Beckhams modischer und stilistischer Wagemut freilich nicht abträglich; sein und seiner Frau Victoria aktuelles Vermögen wird von seriösen Quellen auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Während Victoria ein Designhaus für Luxusmode betreibt, hat sich David Beckham, noch immer ein ergiebiger Werbeträger, den Fußballklub Inter Miami unter den Nagel gerissen. Dort verbringen Weltstars wie Lionel Messi und Luis Suárez ihr Ausgedinge.
Ute Baumhackl aber zeigt am Beispiel David Beckham sehr schön und auf schreiberisch hohem Niveau, dass Fußball mehr bedeutet als dass die sprichwörtlichen 22 Hansln (und nebenbei bemerkt auf der Mann mit der Pfeife und in geringerem Ausmaß auch seine Assistenten) einem Ball nachrennen. Es ist nicht alles so einfach, wie es stumpfen Verächtern erscheint.