Aufreger, mit Distanz betrachtet Wikipedia, ORF, HOPI-MEDIA Medienservice GmbH.
16 Dez
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Aufreger, mit Distanz betrachtet

Zwei gute Nachträge zu den Causen Rafreider (derangiert) und Martin Polaschek (haarig) von Martina Rupp bzw. Armin Thurnher.

Manchmal ist es gut, einen durch den Kosmos der traditionellen und der sogenannten sozialen Medien fegenden Sturm erst einmal vorüberziehen zu lassen und abzuwarten. Man sieht dann vielleicht etwas klarer.
Roman Rafreiders derangierte Moderation beim ZiB-Flash, deren Vorgeschichte in einem familiären Todesfall gelegen sein soll, hat größerenteils eher Mitleid als den in solchen Fällen üblichen Spott hervorgerufen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass seine Suspendierung allem auf rechter Seite Kritik wegen Doppelmoral hervorruft. Das Portal Exxpress gräbt dazu eine Story vom März dieses Jahres aus, dass der scheidende ORF-General Alexander Wrabetz übermäßig alkoholisiert und zickzackfahrend am Ring gestoppt worden sei - aber die Geschichte von den „verhaberten alten Medien“ unter den Tisch gekehrt worden sein soll.
Schwerer wiegt die Frage, warum keine „Krisenfeuerwehr“ den Eklat verhindert hat. Darauf gibt Moderatorin Martina Rupp auf Facebook eine schlüssige Antwort.

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Der letzte Satz verursacht Gänsehaut.

Die Matte der Nation

Eine haarige Causa hat Österreich entfaltet, als sich kürzlich der neue Unterrichtsminister Martin Polaschek den Medien stellte. Die Matte des Ministers war annähernd Aufreger der Nation. Als ZiB2-Moderator Armin Wolf den vormaligen Rektor der Uni Graz darum befragte, brach heftiges Geschnatter auf Twitter aus. Aber auch Heute-Chefredakteur Christian Nusser, bekanntlich eher spärlich behaart, thematisierte die ministerielle Frisur in seinem Blog „Kopfnüsse“. Er habe, notiert Nusser, Polaschek gefragt, „Sind Sie nicht zu alt für lange Haare?“ Dieser habe gelächelt und schlagfertig erwidert: „Sind Sie für kurze Haare nicht zu jung?“

Der letzte Politiker, der hierzulande eine ordentliche Mähne zur Schau gestellt hat, verweist Nusser, sei SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger gewesen. Nusser hätte sich indes nur seiner eigenen „Kopfnuss" vom 20.1. dieses Jahres erinnern müssen, um ein wesentlich aktuelleres Beispiel zu finden: „Das, was Gernot Blümel momentan aufhat, ist kein klassischer Vokuhila, weil er die ÖVP-Hausfrisur trägt, also das Haar nach hinten gekampelt. Leider ist es mit der Zeit so viel geworden, dass einzelne Strähnen die Ohren überwuchern, am Hinterkopf aber wird es dann endgültig dramatisch. Die Gnackmatte resultiert daraus, dass der Finanzminister während Lockdowns nie zum Friseur geht, was er ja auch nicht darf, bei einigen anderen (Namen der Redaktion bekannt) aber wird das Haar auf wundersame Weise niemals mehr und sie verfügen dann auch über keine so gute Ausrede wie Innenminister Karl Nehammer, den die Ehefrau in regelmäßigen Abständen abschädelt.“
2100087 500Unter Blümels Vorgängern als Finanzminister pflegte bereits Karl-Heinz Grasser haariges Auftreten, aber richtig sprossen seinen Ölzotten erst nach seiner politischen Karriere. Jörg Haiders Buberlpartie - insbesondere Walter Meischberger (Bild) - trug in den frühen 90er Jahren gerne die sogenannte Fußballer-Frisur aka Vokuhila (vorne kurz hinten lang) zur Schau. Auch Haider schmückte sich als Oppositionspolitiker bisweilen mit einer veritablen Gnackmatte, um in Nussers Diktion zu bleiben - als er allerdings Regierungsbeteiligung anvisierte, frönte er dem staatsmännisch strengen Kurzhaarschnitt. So wie ihn männliche Politiker in der ehemaligen Ostblocksphäre und in westlichen Demokratien eben gemeinhin tragen. (Lediglich der angloamerkanische Raum fällt da ein bißchen aus der Norm - aber es ist bei Donald Trump und Boris Johnson eher das Styling der Frisuren als ihre Länge augenfällig).
Nun hat also Österreich einen langhaarigen Unterrichtsminister, noch dazu mit einem Ticket der ÖVP. Der darob hochgekochten Aufregung nimmt sich heute Falter-Herausgeber Armin Thurnher - auch er übrigens neuerdings mit etwas längeren, wenn auch schon etwas ausgedünnten Federn - in seiner „Seuchenkolumne“ an. Er widmet sich insbesondere der essentiellen Frage „Sind Haarfragen zulässig?“ Dies vor dem Hintergrund, dass Standard-Journalist Thomas Mayer Armin Wolf getadelt hatte, eben weil dieser den Minister nach der Matte befragt hatte.

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Darf man nun einen Minister nach seinen Haaren befragen? „Lächerliche Frage“, befindet Richter Thurnher. „Selbstverständlich darf man, wenn er ein vom Durchschnitt abweichendes äußerliches Merkmal aufweist, das auf seiner freiwilligen Entscheidung beruht. Bei natürlichen Merkmalen ist selbstverständlich Sensibilität angesagt. Also: rasierte Glatze = Thema. Naturglatze ≠ Thema. Niederösterreichische Herrschaftsglatze = Streitfall.“
Eine unaufdringliche Frisur wie jene Angela Merkels sei ein Statement, ihr sei Anderes wichtig als ihre Haare, referiert Thurnher. „Ihr eine Frage danach zu stellen, wäre wahrlich unangebracht gewesen. Herr Polaschek, unser Minister für langes Haar und noch unter Beweis zu stellende Fähigkeiten, bettelt hingegen darum. Armin Wolf hatte recht, ihn darauf anzusprechen. Ihn selbst wird man erst fragen können, wenn er sich eine Matte wachsen lässt.“

 

 



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