Diskussionsleiterin Maria Scholl, stv. Chefredakteurin der APA Diskussionsleiterin Maria Scholl, stv. Chefredakteurin der APA Screenshot
24 Feb
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Vasallen der Regierung?

Medien wurden und werden im Zuge der Corona-Pandemie genutzt wie selten zuvor, sind allerdings auch oft mit dem Vorwurf des „Verlautbarungsjournalismus" konfrontiert. In einer Online-Diskussionder APA wurde gestern über ihre Rolle In der Krise debattiert.

In der Krise haben die Österreicher ihr Medien kennengelernt, könnte man in Abwandlung eines berüchtigen Unkenrufs aus Tirol nach Wien sagen. Der Unterschied ist nur: Hier stimmt der Spruch wörtlich. Wie an dieser Stelle schon mehrmals expliziert, hatten Österreichs Zeitungen, Magazine, TV-Sender und nicht zuletzt einige Online-Portale im Zuge der Corona-Pandemie Zulauf wie noch nie. Das wurde gestern auch in einer Online-Diskussion der APA mit den Chef- und leitenden Redakteur/innen Corinna Milborn (Puls 4, Puls 24), Gerald Mandlbauer (Oberösterreichische Nachrichten), Martina Salomon (Kurier), Johannes Bruckenberger (APA) , Waltraut Langer (ORF) in der Moderation der stv. APA-CR Maria Scholl klar. „Die Leute haben uns die Zeitung aus der Hand gerissen“, sagte Mandlbauer, irgendwie stellvertretend für alle.

Und doch war es ein zwiespältiger Segen. Abgesehen davon, dass ein Großteil der Werbeeinnahmen und damit das Fundament der Finanzierung wegbrach, wurde gerade den als seriös geltenden Titeln häufig der Vorwurf gemacht, sie seien „gleichgeschaltet“ und Vasallen der Regierung. 5 bis 10 Prozent, schätzte Milborn, hätten im Zuge der Krise das Vertrauen an die Medien und die Wissenschaft verloren.
Der Vorwurf des „Verlautbarungsjournalismus“ sei anfangs vielleicht nicht unberechtigt gewesen, räumte Mandlbauer ein - „wir hatte ja alle keine Datengrundlage“. Das besserte sich zwar mit Fortdauer der Krise - doch hätte sich, so Mandlbauer sinngemäß, bei etlichen Menschen Überforderung eingestellt und ein Teil sei einfach nicht mehr zu erreichen. „Überfülle und Themendominanz führt nicht automatisch zu besserer Orientierung, sondern vielleicht sogar zu deren Gegenteil. Viele Leser flüchten in einfache Antworten und Schwarz-Weiß-Denken.“
Die APA setzte vergangenes Jahr auf den Ausbau des Datenjournalismus. „Daten waren ein wichtiges Thema“, erklärte CR Bruckenberger. „Wobei wir da immer wieder im Austausch mit Gesundheitsbehörden waren, weil die Datenlage nicht wirklich gut war.“
Salomon konstatierte, dass ungefähr 65 Prozent der Kurier-Leser „aggressiv auf Regierungslinie“ seien. „Trotzdem finde ich, dass wir ab und zu auch abweichende Stimmen zu Wort kommen lassen sollen. Denn wer sind wir, dass wir entscheiden, was wirklich stimmt? Darum bin ich für ein großes Meinungsspektrum - allerdings nicht für Wirrköpfe.“
Langer befand es für richtig, dass viele Pressekonferenzen der Regierung übertragen wurden. Die Bevölkerung habe sich selbst ein Bild davon machen müssen, was die Regierungsmitglieder zu sagen hatten. „Die Berichterstattung darf damit aber nicht stehen bleiben. Das Gesagte braucht Einschätzungen und Analysen“, ergänzte die Chefredakteurin der ORF-TV-Magazine und Servicesendungen.
Kontrovers diskutiert wurden die aufgestockten Inserate der Regierung in den Medien. „Regierungsinserate sollten für Medien nicht systemrelevant sein“, meinte Salomon. Andererseits hätten diese Inserate viele Medien vor einem schwierigen Jahr gerettet und etwa den Kurier vor einem Personalabbau bewahrt. Milborn befand, dass dies „kein Dauerzustand“ sein dürfe.

 



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