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26 Nov
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Alles richtig gemacht

Das reklamieren Tiroler Politiker und Touristiker zur Causa Ischgl noch heute für sich - und so betitelt der Blogger & Journalist Sebastian sein Buch über das ethische und logistische Debakel. Reinfeldt präsentierte das Werk gemeinsam mit VSV-Obmann Peter Kolba, der sich der juristischen Seite des Falles annimmt, im PC Concordia.

11.000 Menschen haben sich im Februar und März dieses Jahres im tirolerischen Ischgl mit dem Corona-Virus infiziert, 32 sind daran gestorben. Die Tiroler Landesregierung und die Tourismusverantwortlichen - von der Landesebene abwärts bis zum TVB Paznaun, in dessen Bereich das Sause-Kaff im südwestlichsten Zipfel des „Heiligen Landes“ liegt - sagen bis heute: Wir haben alles richtig gemacht. „Alles richtig gemacht“ betitelt denn auch der in Hannover geborene, aber schon lange in Wien lebende Journalist Sebastian Reinfeldt sein Buch über die Causa Ischgl, die ein länger währendes juristisches Nachspiel hat. Beides, die Präsentation des Buchs wie auch die gerichtlichen Schritte durch den Verbraucherschutzverein (VSV), war heute Thema einer Online-Präsentation im Presseclub Concordia, wo Reinfeldt und der VSV-Obmann Peter Kolba unter der Leitung der Journalistin und Kommunikatorin Lydia Ninz den aktuellen Stand der Dinge darlegten und sich Fragen stellten. 

Bildschirmfoto 2020 11 26 um 10.15.38Reinfeldt hat bereits in seinem Semiosisblog einen wichtigen Teil der Geschichte dargelegt - BranchenBlatt wiederum hat bereits Ende März darüber berichtet. Wegen seiner Reputation hatte sich der Semiosisblog rasch als Anlaufstelle für Hinweise etabliert. Und so meldete sich dort neben vielen anderen eine niederländische Touristin, die die Absicht gehabt hatte, Anfang März in Ischgl zu urlauben, davon aber Abstand genommen hatte, als sie von Corona-Erkrankungen isländischer Touristen gehört hatte. Sie zeigte sich in einer E-Mail an den RVB Paznaun - BranchenBlatt war Einblick in die Korrespondenz gewährt - entsetzt darüber, wie der TVB Paznaun die Gefahr herunterspielte. Stereotype Antwort des TVB: „Wir vertrauen unseren Behörden zu 100 Prozent“.Bildschirmfoto 2020 11 26 um 11.39.23
In einer offiziellen Presserklärung wurde behauptet, die Urlauber hätten sich bei der Heimreise im Flugzeug infiziert. „Der TVB wusste bereits von isländischen Behörden, dass es so nicht stimmen konnte. Diese Presseaussendung wurde wider besseres Wissen getätigt“, bekräftigte Reinfeldt im PC Concordia und zog ein nüchternes Resümee. „Es hat bis heute keine personellen Konsequenzen gegeben und es es gibt keine Indizien, dass Ischgl von seinem Geschäftsmodell des Massentourismus Abstand nimmt. Geschäft geht vor Empathie.“

Die Republik putzt sich ab: Die Opfer sind selbst schuld, wenn sie sich in Ischgl angesteckt haben. Notabene kein besonders vertrauenswürdiges Bild der Urlaubsdestination.

4 Musterklagen sind bereits gegen die Republik eingeleitet worden. Deren Anwalt, das ist in dem Fall die Finanzprokuratur, habe, so Kolba, mit klassischer Täter-Opfer-Umkehr alles bestritten. „Es wird behauptet, die Opfer seinen im Grunde selber Schuld“, berichtete der Jurist. Ebenso abgeblitzt ist der VSV mit einem offenen Brief an Kanzler Sebastian Kurz mit der Bitte um einen Runden Tisch mit Tourismusverantwortlichen und Opfern/Angehörigen. „Einen Runden Tisch, sage ich offen, würde ich gerichtlichen Auseinandersetzungen vorziehen“, erklärte Kolba. „Aber wir haben bis heute keinerlei Antwort erhalten.“
Bildschirmfoto 2020 11 26 um 14.10.13Ergo sind Schadenersatzklagen in Einzelfällen eingebracht worden, rund 30 Klagen sollen bis Anfang des kommenden Jahres folgen. Aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden wird es Sammelklagen geben. Da in den Niederlanden eine Klage gegen die Republik Ö. nicht möglich ist, werden juristische Personen - der TVB Paznaun, Hotels etc. - vor den Richter zitiert. Einen Beherbergungsbetrieb, das Hotel Urezza, hob Kolba gesondert hervor: „Die Lebensgefährtin eines an Corona verstorbenen Hotelgasts wollte eine Bestätigung, dass der Verstorbene das Hotel Urezza gebucht hat. Die Antwort war: nein. Denn gebucht hatte nicht der Verstorbene, sondern ein Freund von ihm, mit dem er vermutlich ein Doppelzimmer bezogen hatte. Dann wollte die Lebensgefährtin eine Bestätigung, dass er in dem Hotel anwesend war. Die Antwort war: nein. Mit Berufung auf den Datenschutz.“