Rein in die Speckgürtel, raus aufs Land Hans Linde / Pixabay
01 Sep
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Rein in die Speckgürtel, raus aufs Land

Ein Bericht der New York Times belegt als Folge der Corona-Pandemie einen gewaltigen Zuzug Richtung Suburbia. Ein Trend zum ländlichen Ambiente ist auch in Deutschland und – in etwas kleinerem Massstab – in Östereich zu bemerken.

Corona hat in verschiedener Hinsicht neue Klassenunterschiede geschaffen. So trennte ein beträchtlicher Spalt trennte – insbesondere während der Zeit des sogenannten Lockdowns - jene, die einen Garten oder wenigstens einen Balkon hatten und jene, die definitiv in den diesfalls mehr als nur sprichwörtlichen vier Wänden ausharren mussten. Insbesondere bei Familien mit Kindern machte es schon was aus, ob man an die statt in die Luft gehen konnte – zur Erholung von Home Office und 24/7-Nachwuchspflege.
Und siehe da, selbst bei geeichten Städtern ist Sehnsucht nach Landleben aufgekommen. Ein Trend, der zumindest im wohlhabenden Teil der Welt praktisch flächendeckend zu beobachten und medial entsprechend reflektiert ist, belegt Abwanderungsbewegungen aus großen Städten in ländliche Gegenden. Meist handelt es sich dabei um die Speckgürtel der Metropolen, öfters aber einmal zieht es Menschen definitiv aufs Land.

Wie die New York Times berichtet, sind im Juli 2020 die Verkäufe von Liegenschaften in New Jersey, Connecticut, Long Island und Upstate NY im Umland von New York City im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 44 Prozent gestiegen, während sie im städtischen Zentrum Manhattan um 56 Prozent eingebrochen sind. Oft werden höhere Preise als verlangt geboten (und natürlich auch bezahlt).
Es ist in New York über die Jahrzehnte hinweg immer mal wieder eine Stadtflucht größeren Ausmaßes prophezeit worden – zuletzt in der Folge von 9/11 – und nicht geschehen. Diesmal allerdings sprechen Indizien für eine nachhaltigere Entwicklung. Da ist zunächst die Sorge um die Gesundheit im engen Lebensraum einer Großstadt. Und, damit in Wechselwirkung, die Möglichkeit – oft auch Notwendigkeit -, die berufliche Arbeit (so noch vorhanden) von zu Hause aus zu erledigen. Dafür aber brauchen die New Yorker Arbeitnehmer/innen auch entsprechend Platz, den sie, zumal mit Kindern, in den meist winzigen, absurd überteuerten Wohnungen in den Hipster-Bezirken Manhattan und Brooklyn (und auch nicht in Queens) haben. Spannend wird sein zu beobachten, ob sich die gegenwärtige Entwicklung fortsetzt, wenn ein Impfstoff gegen das Virus gefunden ist. Jedenfalls sind in NY schon längst Sorgen laut geworden, dass der aktuelle Trend das städtische Budget empfindlich belastet.

In Deutschland suchen, wie mehreren Medien zu entnehmen ist, ebenfalls immer mehr Menschen ländliches Ambiente. Die Deutsche Welle etwa berichtet unter Berufung auf eine Erhebung des Immobilienportals Immobilienscout24, dass in ländlichen Gebieten die Nachfrage nach Häusern im diesjährigen Mai im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 50 Prozentzugenommen hat. Auch hier ist Home Office als ein Motor der Entwicklung dingfest gemacht worden. Am gefragtesten sind laut Immobilienscout24 die beliebten deutschen Urlaubsregionen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein aufgrund ihrer Nähe zur Ostsee und zu zahlreichen Seen. Auch Immobilien mit Blick auf die bayerischen Alpen verzeichnen ein stark wachsendes Interesse.

Auch die Österreicher zieht es, so indiziert zum Beispiel ein Artikel der Wiener Zeitung, die wiederum eine Online-Umfrage der Internetplattformen sReal und Wohnnet als Zeugen aufruft, aufs Land – wenn auch in Zahlen dargestellt etwas weniger stark als in Deutschland. Diese seit 2012 regelmäßig durchgeführte Umfrage erhebt im Zeitraum vom 30. Jänner bis 30. Juni eines Jahres die Wohnbedürfnisse von etwas über 5000 Usern der Plattformen. Heuer zeigte sich, dass nach Ausbruch der Krise die Sehnsucht nach Wien von 34 Prozent Immobiliensuchender auf 25 Prozent gesunken ist. Gestiegen ist – übrigens in beiden Fällen jeweils um vier Prozent – die Nachfrage nach Land und kleineren Bezirksstädten. Fast 60 Prozent der Suchenden wollen jedenfalls nicht mehr in die größeren Städte. So schaut´s aus. Derzeit.