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Home Office - nein, danke kpunktnull
28 Aug
geschrieben von 

Home Office - nein, danke

Der prominente deutsche Journalist, Unternehmensbereater und Blogger Thomas Knüwer hält den Trend zur Heimarbeit für äußerst bedenklich. In seinem Blog führt er aus, warum.

Es ist mit der öffentlichen Darstellung von Home Office nicht ganz unähnlich wie mit jener der von oben verordneten Schutzmaßnahmen gegen Corona: Liberalere Medien (und eher liberale Stimmen in Sozialen Medien) signalisieren mehrheitlich Zustimmung. Dagegen sind - so sagt das Stimmungsbarometer, nicht notwendigerweise die Faktenlage! - Betonschädeln und Chefs mit einem Führungsstill, der vielleicht eher auf eine Plantage in den Lousiana Mitte des 19. Jahrhunderts gepasst hätte. So wie die Corona-Diskussion ihre Bösewichte und Kollateralschäden hat: da wird dann eben schnell einmal als Verschwörungsphantast abgestempelt wird, wer fragwürdige Aspekte am Corona-Krisenmanagement der Regierung namhaft macht.
Gerade darum ist es wichtig, intelligenten Gegenstimmen zu quasi-offiziellen Lesarten bestimmter prominenter Phänomene Gehör zu verschaffen.
Thomas Knüwer ist eine solche Konterstimme im Jubel-Chor der Home Office-Befürworter. Er hält es, wie er in seinem Blog „Indiskretion Ehrensache“ schreibt, für höchst problematisch, sollte Home Office das neue Normal werden: „Der aktuelle Ausbau des Home Office-Themas wird als einer der großen Managementfehler in der (sic!) Geschichte eingehen.“
Thomas Knüwer, 51, war langjähriger leitender Redakteur des Handelsblatts und Gründungschefredakteur der (mittlerweile eingestellten) deutschen Ausgabe des Computermagazins Wired. Seit 2009 führt er in Düsseldorf die digitale Unternehmensberatung kpunktnull, bereits seit 2005 betreibt er seinen Blog „Indiskretion Ehrensache“; übrigens gehört er auch zum Ausrichterteam der Goldenen Blogger, des ältesten und wohl immer noch einflussreichsten deutschen Weblogger-Awards Deutschlands.

Knüwer startet seine Anti-HO-Argumentation mit Belegen, wie schlecht vorbereitet fast 1800 größere europäische Unternehmen auf eine Ausnahmesituation, wie sie Corona mit sich brachte, waren: 45 Prozent der Firmen mit mehr als 100 Beschäftigten mussten kurzfristig investieren, um mobiles Arbeiten zu ermöglichen! Im Folgenden wird der Trend zu Home Office-Arbeit in Zahlen dargestellt: Die Unternehmensberatung Bain & Company, geht davon aus, dass künftig 20 bis 30 Prozent der Büroarbeitsplätze in Deutschland überflüssig und in den nächsten fünf bis sieben Jahren zwischen drei und fünf Millionen Beschäftigte ihren Arbeitsplatz aus dem Firmenbüro wegverlagern werden - und das ist unter vielen Prognosen noch eine der deutlich vorsichtigeren.
Dass Home Office, weil es jetzt 5 Monate funktioniert hat, immer funktionieren werde, sei ein Trugschluss, meint Klüwer und warnt vor Folgen: Dass Büroflächen verkleinert / entmietet werden. Dass Gesundheitsschäden durch mangelhafte häusliche Infrastruktur auftreten werden. Dass Karrierechancen zumindest in großen Betrieben sinken, weil sich weniger Gelegenheiten zum Netzwerken via persönlichen Kontakt ergeben. Dass es schwieriger werden wird, neue Mitarbeiter vernünftig in Teams zu integrieren. Dass also Home Office Unternehmenskulturen erodiere.
Schließlich - ein interessanter Punkt: Was wird aus den Betrieben hauptsächlich aus der Tech-Branche, die viel Mühe, Phantasie und Ideen investiert haben, ihren Mitarbeitern ein attraktives, interessantes Arbeitsambiente zu bieten, das nichts mit dem sprichwörtlichen Bürograu zu tun hat? „Wenn sie nun ihre Leute ins Home Office drängen, ist dies entweder Missmanagement – oder ein Eingeständnis des Scheiterns. Ich behaupte: Es ist ersteres.“
Was aber, wenn sich nun Home Office wirklich so stark verbreitet, wie es verschiedentlich angekündigt wird?
„Ich glaube, dass die Identifikation mit dem Arbeitgeber sinkt. Somit erlebten wir mutmaßlich eine Gegenbewegung zu den verspielten Büros, den nicht-monetären Zuwendungen und Ähnlichem. Nicht mal eine Firmenfeier ist ja attraktiv, wenn ich dort nicht auf mir ans Herz gewachsene Kollegen treffe, sondern Leute, die ansonsten eine Zoom-Kachel sind.“

Es lässt sich natürlich Einiges gegen Knüwers Argumentation einwenden. Ganz klar hat sie Schlagseite Richtung Konzerne. Man muss diesen nicht notwendigerweise noch mehr Wachstum wünschen als sie ohnedies schon haben. Freiberufler und/oder Kleinunternehmer sind mit anderen firmenstrukturellen Herausforderungen wie Großbetriebe konfrontiert. Außerdem unterschlägt Knüwer komplett den Faktor Pendeln und in seinem Gefolge den Komplex Umwelt / Klimawandel. In kleinen Österreich vielleicht nicht so bedeutend, ist das Hin- und Herfahren zwischen Wohnort und Arbeitsstelle in in einem großen Land wie Deutschland ein veritables Problem, wie auch die Kommentare zu Knüwers Text zeigen. Gleichwohl taugen viele seiner skeptischen Einwände als gute Denkanstöße: Wenn Home Office tatsächlich ungesund ist - warum nicht aufklären und Initiativen setzen, um es gesundheitsverträglicher zu machen?

PS: Hier noch einige HO-Impressionen

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