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31 Mär
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Eine kleine Geschichte über Profitgier

Der Semiosisblog offenbart Ungeheuerliches: In Ischgl wurden Warnungen über die Verbreitung des Coronavirus konsequent ignoriert. Im allerbesten Fall fahrlässig (... Unschuldsvermutung).

Den Semiosisblog kennt man im Ausland besser als in Österreich. Er wird betrieben vom gebürtigen Hannoveraner und seit langem in Wien lebenden Politikwissenschaftler Sebastian Reinfeldt und sowie dem original Wiener IT-Spezialisten Christoph Ulbrich, der einstens in 14 Monaten mit dem Rad die Welt umrundet hat.
Im Zuge der Corona-Krise haben sie das „Heilige Land“ ins Visier genommen, recherchieren, wie es zur Ausbreitung des Virus in Tirol gekommen ist und welche Rolle dabei Behörden und die Tourismus-Lobbyisten spiel(t)en. Das brachte ihrer Seite, auf der ein anonymer Daten-Briefkasten die Möglichkeit zu zweckdienlichen Hinweisen einräumt, Zulauf: „Da wir früh auf Ischgl aufmerksam gemacht worden sind, waren wir unter den ersten Medien, die kritisch berichtet haben - ab 14.3. Und nun hat sich daraus ein ganzes Netzwerk ergeben. Ich kann mich vor Hinweisen kaum retten“, berichtet Reinfeldt.
Der 2016 initiierte Semiosisblog, der natürlich keine Subventionen oder Zuwendungen durch große Organisationen erhält und sich fürderhin durch Crowdfunding finanzieren wird, kooperiert eng mit anderen Medien und Blogs, aktuell mit Fass ohne Boden und Markus Wilhelms Die Tiwag. Mittlerweile ist er als Anlaufstelle vielerorts gefragt: Als der Verbraucherschützer Peter Kolba und der Rechtsanwalt Alfred Noll im Namen der Erkrankten, von denen inzwischen zwei gestorben sind, eine Sammelklage gegen führende Vertreter des Landes Tirol einreichten, empfahlen sie Interessenten u.a. den Semiosisblog als Kontakt.
Und so meldete sich dort eine niederländische Frau mit einer schlechtweg ungeheuerlichen Geschichte. Sie trägt im Blog den schönen Titel „6. März: Bitte kontaktieren Sie dringend die isländischen Behörden unter der Telefonnummer +354 544 4113!

„In Ischgl haben keine Infektionen stattgefunden“ (TVB Ischgl-Paznaun)

Demzufolge meldete sich die Frau am Freitag, den 6.3., um 12:54 Uhr mit einer E-Mail beim Tourismusverband Ischgl-Paznaun: Sie hätte an diesem Tag in Ischgl ankommen sollen. Da sie aber am Vorabend von 10 bestätigten Corona-Erkrankungen isländischer Touristen, die in Ischgl geurlaubt hatten, erfahren hatte, stornierte sie die Urlaub. Vorher habe sie noch die isländischen Behörden - es handelt sich, wie BranchenBlatt nachrecherchierte, um die Kontaktstelle im Fall von Krankheitssymptomen - angerufen, um sich über die aktuelle Lage zu informieren, da in Österreich behauptet worden war, die Infektionen seien auf dem Rückflug geschehen.
Im Folgenden schreibt sie dem TVB Ischgl Einiges ins Stammbuch (siehe Screenshot) und fragt: „Nur wenig Gefahr in den Skigebieten? Mit zumindest 10 bestätigten Fällen in einem einzigen Dorf wie Ischgl? Ich glaube, Sie alle sollten sich schämen, Ihre geschäftlichen Interessen über unser Gesundheitsrisiko zu stellen. (…) Wir haben in letzter Minute storniert, aber Tausende Menschen werden diese Woche in Ischgl sein und nichts von den aktuellen Gefahren wissen!“

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In der Antwort versichert einer der Geschäftsführer des TVB, die Behörden hätten die Situation sehr gut unter Kontrolle, und beharrt auf der Behauptung, die Infektion hätte (wahrscheinlich) auf dem Heimweg, sicher aber nicht in Ischgl stattgefunden.
Im weiteren Mailverkehr insistiert die Niederländerin, doch BITTE die isländischen Behörden unter der Nummer +354 544 4113 anzurufen, argumentiert, dass es unmöglich sei, dass direkt nach einer angeblichen Infektion im Flugzeug schon Symptome auftreten und äußert offen den Verdacht, dass man die Öffentlichkeit bewusst nicht informiere. Antwort TVB-Paznaun: „Wir vertrauen unseren Behörden zu 100 Prozent“. Es folgt noch ein Appell der Niederländerin, doch mit den isländischen Behörden zu sprechen - Antwort TVB Ischgl: „Tut mir leid, mich zu wiederzuholen, aber die österreichischen Behörden sind an der Sache dran und überprüfen alle Fälle.“ Ende.

Natürlich hat BranchenBlatt die Echtheit der Geschichte hinterfragt und natürlich stimmt sie. „Ich kenne die Mailschreiberin persönlich nicht, habe mit ihr aber kommuniziert und sie auch an andere Medien, u.a. das ZDF, weiter vermittelt. Sie ist eine reale Person. Der Mailverkehr ist echt, das habe ich selbst überprüft. Die Echtheit wird ja auch nicht bestritten“, erklärt Reinfeldt, der BranchenBlatt einen Screenshot mit der Mail der Frau übermittelt hat.

Nun, normalerweise sagt man in solchen Fällen, es bestehe Handlungsbedarf. Aufklärungsbedarf, um genauer zu sein. Das gebetsmühlenartige Gejeier, dass man im Nachhinein immer schlauer sei, darf schüchtern mit dem Argument relativiert werden, dass es nicht verboten ist, Informationen, die schon zur Verfügung stehen, auch zu nutzen. Auch wenn dann ein paar Euro im Schnee liegen bleiben. Der nachhaltige Imageschaden wird sowieso viel größer sein. Gewissermaßen die Strafe Gottes fürs Heilige Land.

 

PS: Hohe Würdenträger im TVB Ischgl-Paznaun:

Alexander von der Thannen (Obmann), Ing. Arnold Tschiderer (1. Obmann Stellvertreter), Michael Zangerl (2. Obmann Stellvertreter)

Geschäftsführung: Andreas Steibl, Mag. (FH) Dietmar Walser

Aufsichtsrat: Myriam Walser (Aufsichtsratvorsitzende), Gerd Zangerl (Aufsichtsratvorsitzender-Stv.), DI (FH) Markus Walser, Martin Lorenz, Ing. Andreas Kleinheinz, Kathrin Eiterer, Bernhard Zangerl, Josef Wechner, Mirjam Aloys, Evi Wolf, Raimund Pircher, Landtagsvizepräsident Bgm. Anton Mattle, Bgm. Helmut Ladner, Madeleine Liebhauser

 

PPS: Ein aktueller Screenshot von der Website des TVB Ischl-Paznaun

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