Wie soll man schreiben über einen Abend, der einerseits inhaltlich im erwarteten Rahmen blieb, andererseits emotional überraschend auspegelte? Nun, das übernimmt dankenswerterweise einer seiner Hauptdarsteller selbst. Falter-Herausgeber Armin Thurnher war neben der mit ihm nur nominell verwandten und auch sonst nur über die Bande der gemeinsamen Gsiberger Herkunft vereinten ORF-Radiochefin Ingrid T. Podiumsdiskutant, als Harald Fidler im erwartungsgemäß knallevollen Presseclub Concordia sein neues »So funktioniert Österreichs Medienwelt" (Falter Verlag) vor- und unter der Leitung von Raimund Löw zur Debatte stellte (die ebenfalls zum Mitreden eingeladene Puls 4- & Puls 24-Info-Chefin Corinna Milborn hatte abgesagt). Und heute beschreibt er in seiner Seuchenkolumne, wie zwischen ihm und der Gsiberger Namensverwandten die Wogen hochgingen, dass wir uns nur unter Aufbietung schier übermenschlicher Willenskräfte den Kalauer Thurnher gegen Thurnher verkneifen können. Man muss zunächst vorausschicken, dass Falter-Thurnher wieder einmal etwas über den ORF zu sagen hatte. „Wenn es sich um den ORF dreht, geht mir das Herz über, und ich werde zur unguidable Missile (sic!)", bekennt er selbst.
Argumentativ ist F-Thurnher, wenn einmal losgelassen, nur mehr schwer einzufangen. In der tollkühnen Hoffnung, ihn hier so halbwegs korrekt wiederzugeben - Genaueres kann gesagt werden, wenn der Abend, wie versprochen, als Podcast im Falter Radio wiedergegeben wird - lautete F-T´s Grundthese ungefähr wie folgt: Der ORF basiert - wie überhaupt ein Großteil der hiesigen Medien - auf Korruption. Im Falle des ORF in Form von (Regierungs-)Parteien-Einfluss durch die unsäglichen Freundeskreise im Stiftungsrat. Die entscheiden über wichtige Posten, allen voran die Unternehmensführung. Einzelnen bravourösen Journalist*innen sei es zu verdanken, dass dieses korrupte System immer wieder unterminiert und/oder konterkariert werde.
Nun, das mit grundsätzlich korrupt wollte ORF-T so nicht stehen lassen. Roland Weißmann, bekanntlich Generaldirektor von türkisen Gnaden, habe so wenig wie seine Vorgänger je eine Handlung auf (unmittelbares) Geheiß der Politik gesetzt.
Das wohl nicht. Spekulieren könnte man vielleicht über vorauseilenden Gehorsam, „Geistesverwandschaft" oder ähnliche Handlungs„quellen". So soll uns besser niemand einzureden versuchen, dass nicht eventuell schon einmal GD Weißmann an Frau Radiodirektor Thurnher herangetreten ist, um über eine Umgestaltung (aka „Modernisierung") des in der rechten Reichshälfte nicht sehr beliebten Senders FM4 nachzudenken: Etwa mit Spezialprogrammen wie „Im Sumpf" und ähnlich intellektuell-subersivem Zeugs ratzfatz aufzuräumen. „Jugendlicher" will man den Sender machen, irgendein Trottelinstitut, das „die Bedürfnisse der jungen Menschen" zu erheben vorgibt, ist auch schnell zur Hand und als Ergebnis kommt dann sowas Geistreiches heraus wie dass FM4 viel stärker auf TikTok präsent sein müsse oder allsowas. Schon jetzt werden die Moderationen im FM4-Tagesprogramm immer kindischer und teilweise blöder. Eine Anpassung aus dem Geist der Korruption heraus.
Wohl in diesem Sinn ist F-T zu verstehen.
Nun aber weiter in dessen O-Ton. Was er über das Buch von Fidler zu sagen hat: „Ich darf sagen, dass es erstens sehr chic aussieht und auch sehr fein gestaltet ist; die Grafiken sind übersichtlich, die Artikel nicht zu lang und gut lesbar, und Fidler hat in seiner faktenzentrierten Art alles zusammengetragen, was man wissen muss, will man Österreichs Medienlandschaft verstehen, dieses seltsame Gebilde.
Man findet Statistiken über Förderungen und Anzeigenumsätze, man sieht, wieviel Werbung in „unsere“ (herkömmlichen) Medien geht und wieviel in die digitalen in die USA – Spoiler: es ist schon gleichviel – und wie sich dieses Verhältnis entwickelt hat. Man erfährt Wissenswertes über die Prinzipien, die den ORF leiten(sollen) und über jene Familien, die private Medien leiten.
Eine Anzahl Medienwichtigtuer (zu denen auch ich zähle) durfte Kurzdefinitionen wichtiger Begriffe beisteuern, und Fidler selbst steckt den Grund ab: die Mediendemokratie besteht, aber sie besteht noch*. Das Noch trug er auch auf seinem T-Shirt bei der Diskussion, es war sozusagen Warnung und Programm."
*Hervorhebung BB