Die ÖVP hat bekanntlich kein friktionsfreies Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Insbesondere in der ÖVP Niederösterreich scheinen diesbezüglich gravierende Verständnisschwierigkeiten zu grassieren. Die Partei, die bestimmt, was und wer in „Niederösterreich heute" in welcher Mindestlänge vorzukommen hat, die auch kein Problem damit hat, dass eine Vera Russwurm ihre Veranstaltungen moderiert und trotzdem ganz normal ihre Talkshows im ORF abwickeln kann, bezichtigt in Gestalt ihres Landesgeschäftsführers Bernhard Ebner den drei Mal als „Journalist des Jahres" und mit unzähligen weiteren Preisen ausgezeichneten Falter-Chefredakteur Florian Klenk des „Gesinnungsjournalismus" und spricht damit dem Falter jegliche Qualität ab. „Wenn Journalistinnen und Journalisten, so wie der Chefredakteur des Falters Dr. Florian Klenk sich selbst als links bezeichnen, sind sie zwangsläufig Gesinnungsjournalisten. Dr. Florian Klenk ist damit politischer Akteur und so zu behandeln, der Falter kann nicht mehr mit Qualitätsjournalismus in Verbindung gebracht werden“, sondert Ebner, seines Zeichens auch Mediensprecher der VPNÖ, in einer Aussendung ab.
Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hatte nichts Eiligeres zu tun, als Ebner beizupflichten und zu bemerken, Journalisten sollten sich nicht als Staatsanwälte aufspielen und notabene auch nicht mehr aus Akten zitieren dürfen.
Wahrscheinlich wäre es am Gescheitesten gewesen, den in jederlei Hinsicht provinziellen Politiker Ebner einfach zu ignorieren und Edtstadlers Aussagen als genau das zu nehmen was sie sind: Parteitaktisches Gewäsch. Eine realistische Chance hat ihre zum x-ten Mal erhobene Forderung nach einem Aktenzitierverbot nicht wirklich, weil die Grünen bei diesem türkisen Unsinn ausnahmsweise einmal nicht mitziehen, die Roten auch dagegen sind, die dafür möglicherweise empfänglichen Blauen im Parlament derzeit noch zu zahlenschwach sind und sich somit keine Mehrheit dafür findet.
Dass Ebners unsägliche Aussage breiten medialen Widerhall finden würde, war dagegen klar. Und somit erfüllte sie durchaus ihren Zweck im Sinne des Erfinders: Was stört die ÖVP schon der Protest und die Kritik von Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, dem Presseclub Concordia oder von Medienexperten wie Armin Wolf oder Peter Plaikner - bei ihrer Klientel und den neuerdings so frenetisch hofierten „normalen" Leuten bleibt schon was hängen - genauso wie an „den Medien" ein paar weitere Kratzer in der breiten Wahrnehmung. Mit der Folge, dass, wie Klenk mutmasst, sich weitere Menschen von ihnen ab- und parteinahen, steuergeldfinanzierten Blogs und Portalen zuwenden.
Schau' ma mal, was geht
Die beängstigende Stimmungsmache gegen Journalisten ist Thema der neuesten Folge des exzellenten Podcasts „Die Dunkelkammer". „Pressefreiheit unter Beschuss" heißt sie und für sie gastierte Podcast-Gestalter Michael Nikbakhsh bei Florian Klenk in der Falter-Redaktion. „Es ist kein Angriff, sondern eine Art Unterspülen", analysiert Klenk. „Ein Diskreditieren: Die Journalisten sind ja parteilich, die schreiben nicht die Wahrheit. Es geht darum, die Presse als Kontrollorgan lächerlich zu machen. Es findet ein ständiges Presse-Mobbing statt. Das ist viel schlimmer als der klassische Angriff mit Einschüchterung und Androhung von Gefängnis."
Der Ebnerschen Attacke auf Klenk ging vor kurzem ein Anschlag auf den investigativen freien Kärntner Journalisten Franz Miklautz voran, dem wegen des angeblichen Beitrags zur Veröffentlichung von Amtsgeheimnissen sämtliche Arbeitsgeräte weggenommen worden waren. Die hanebüchene Anschuldigung wurde fallengelassen, Miklautz erhielt Handy und Laptop zurück, doch Klenk und Nikbakhsh glauben nicht, dass hier bloß eine Panne passiert, sondern etwas „ausprobiert" worden sei. „Bei einem, der als Freier sich nicht so wehren kann wie eine ganze Redaktion", erklärt Nikbakhsh. „Eigentlich bin ich jetzt in genau der gleichen Situation" (Nikbakhsh, einer der profiliertesten der nicht eben rasend vielen Investigativ-Journalisten dieses Landes, war bekanntlich Ende letzten Jahres von seinem langjährigen Dienstgeber profil auf Betreiben des Geschäftsführers Richard Grasl gegangen worden). Das Stück, das mit der Staatsanwaltschaft Klagenfurt als Regisseur geprobt wurde, hieß: „Wie lege ich der Pressefreiheit Daumenschrauben an" (Arbeitstitel). Was es „die Menschen da draußen" lehren sollte, war: mehr Distanz zu Medien, sprich: keine womöglich irgendein hohes Tier belastenden Informationen mehr an Journalisten weiterzugeben.
Die Möglichkeiten zu Sabotageakten gegen die kritische Presse sind ohnedies schon recht vielfältig. Eine besteht im Abstechen von Geschichten - der kontrollierten Sprengung, wie es Gerald Fleischmann, der Message Controller des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz und der aktuellen Regierung, genannt hat. Klenk erinnert sich an die Schredderaffäre nach dem Mißtrauensantrag gegen Kurz nach dem Ibiza-Skandal: „Ich krieg einen Hinweis, dass ein Mitarbeiter von Sebastian Kurz unter falschem Namen fünf Festplatten des BKA schreddern lässt - und zwar dreimal hintereinander - und sich dann den Schreddersand mit nach Hause nimmt. Ich fang zu recherchieren an und krieg ein Video, wo man das sieht: Wie bei Max und Moritz, die oben in eine Maschine reingestopft werden und unten kommt Schrot raus. Das Ganze wird Teil eines Gerichtsakts, wird Teil einer strafrechtlichen Untersuchung, weil die WKStA diese Aktion als mögliche Vernichtung von Beweisen für Spendenaffären oder was auch immer ansieht.
Was macht die ÖVP? Sie weiß, dass ich jetzt bald aus diesem Akt berichten werde, weil ich eine Anfrage gestellt habe, und geht von sich aus zum Kurier und sagt dort: ,Leitl´n, es wird demnächst aufpoppen, dass einer von uns Akten vernichtet hat. Wir erklären euch das jetzt einmal:
Es ist ganz normal, dass man, wenn man aus dem Kanzleramt auszieht, seine Festplatten löscht, weil da vielleicht private Geheimnisse dabei sind. Auch der Kern hat Akten vernichtet. Und der Kurz hat das besonders gut gemacht, weil der hat das nicht von IT-Abteilung im Haus machen lassen, die vielleicht von einer anderen Partei instrumentalisiert ist, sondern von einem eigenen Mitarbeiter, der hat das gleich dreimal machen lassen und besonders sorgfältig.' Und schon hat die Geschichte einen ganz anderen Spin. Und wenn man die Geschichte frisst und nicht nachfragt, ,Moment mal, was erzählt ihr mir da eigentlich, ihr habt die fünf Festplatten nicht von der hauseigenen IT löschen lassen, sondern habt sie rausgetragen, im Auto zum Reisswolf geführt und dort hat einer unter falschem Namen das Schreddern beauftragt - das ist ein bisschen absurd!', dann ist das Skandalisierungsmoment des recherchierenden Mediums abgestochen und die Sache kontrolliert gesprengt. Und wenn du jetzt befreundete oder dir nahestehende Journalisten hast, dann sagen die, ,was regt´s ihr euch auf, das ist normal, die anderen machen das auch so!' Ich nenne das Fog News. Nicht Fake News, auch nicht False News - nein, da wird die Nebelmaschine angeworfen."
Klenk erzählt viele starke Geschichten in diesem Podcast. Bezugnehmend auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten in der medialen Darstellung erinnert er sich an ein Gespräch mit der ehemaligen Justizministerin Maria Berger. „Bei tatsächlichen Verletzungen von Persönlichkeitsrechten könnten meiner Meinung nach die Entschädigungszahlungen viel höher sein. Das wollen aber die Boulevardmedien nicht und da machen sie enormen Druck dagegen. Frau Berger wollte als Justizministerin die Entschädigungsbeträge anheben, nachdem ein Journalist namens Richard Schmitt in der Zeitung Heute sehr intime Details über Natascha Kampusch gebracht hatte. Dagegen wurde aber beim damaligen Bundeskanzler Werner Faymann seitens der Boulevard-Herausgeber so massiv interveniert, dass die SPÖ Berger fallen ließ und das Justizministerium an Claudia Bandion-Ortner übergeben wurde."
Das ewige Gerücht, die WKStA spiele Akten direkt an die Medien weiter, behandelt Klenk als den Witz, der es ist: „Es ist ja kein Geheimnis - Florian Scheuba hat das enthüllt: WKStA heißt Wohngemeinschaft Klenk - Staatsanwälte, und wie Exxpress enthüllt hat, wohnen Staatsanwälte der WKStA in Eichgraben, wo ich auch wohn´, und die hau´n mir das über den Zaun. Also immer wenn ich im Garten sitz´, werd´ ich von so einem Aktenordner erschlagen - man muss total aufpassen!"
Die Realität allerdings killt jede Pointe: „Warum sollten sie's tun? Sie würden sich strafbar machen, sie würden ihre eigenen Ermittlungen abschießen und sie wissen ja, dass die Akten in der Akteneinsicht liegen. Ein Beschuldigter hat ja das Recht, Akteneinsicht zu nehmen. Warum soll ich mich also strafbar machen für etwas, das ein anderer straffrei für mich erledigen kann? Nein, wie alle anderen kriegen wir's von Anwälten, zum Teil kriegen wir sie aus U-Ausschüssen, zum Teil wird in U-Ausschüssen ein Vorhalt aus Akten gemacht und sie werden vorgelegt, zum Teil sind es Privatbeteiligte aus Verfahren, zum Teil sind es Mitbeschuldigte - so ein Akt hat viele Leute, die Einsicht nehmen. Es ist also völlig absurd zu glauben, die WKStA gibt einem ein Aktenstück."