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Cornelius Obonya las Robert Menasse Cornelius Obonya las Robert Menasse Christina Böck (WZ), Jaschke
23 Jan
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Widerstand gegen den staatlich verordneten Totschlag

Ein glanzvolles Zeichen setzten Künstler*innen, ein paar gute Kräfte aus der Politik und die Spielstätte Kulisse gegen die geplante letale Umstellung der Wiener Zeitung zu einem (fast) reinen Digitalmedium und einer von der Regierung gegängelten Ausbildungsstätte.

Mit entsprechendem Sinn für Pathos könnte man leicht in Versuchung geraten, die gestrige Veranstaltung in der Kulisse mit Klassifizierungen wie „Begräbnis erster Klasse" oder ähnlich morbidem Überschwang zu befrachten. Denn angesichts der Pläne der Regierung bzw. der sogenannten Medienministerin Susanne Raab und ihrem noch verbisseneren grünen Zerberus* Eva Blimlinger für die „Zukunft" der ältesten Tageszeitung der Welt mutet jede Veranstaltung für die Wiener Zeitung wie ein Abschied an. Dieser hier wäre nur besonders glanzvoll gewesen: Künster*innen wie Robert Menasse mit Cornelius Obonya als Sprachrohr, Peter Klien, Severin Groebner, Pizzera & Jaus, Erika Pluhar mit Begleiter Roland Guggenbichler, Flüsterzweieck, Maria Muhar, Doron Rabinovici, Miriam Hie, Thomas Maurer, Florian Scheuba, Josef Hader, Gerhard Ruiss und Elfriede Jelinek, gelesen von Maria Happel sowie Alt-Präsident Heinz Fischer und Isabella Marboe und Jürgen Radatz von der Initiative für Medienvielfalt und Baukultur erörterten in der knallevollen Kulisse vor beträchtlichen Teilen der WZ-Belegschaft, aber auch (Ex-)Politprominenz wie Heide Schmid und Josef Cap, dem Kabarettisten und Publizisten Dieter Chmelar, Größen des hiesigen Musikbusiness und -journalismus wie Eberhard Forcher, Walter Gröbchen (zeitweilig WZ-Autor) plus Ex-Radio-Intendantin und -FM4-Chefin Monika Eigensperger aus verschiedenen Perspektiven, inwiefern und warum die Wiener Zeitung unverzichtbar für einen noch halbwegs zivilisierten Diskurs in diesem Land ist.

Aber seltsam - obwohl gerade einmal einen Tag davor die sogenannte Medienministerin Raab im Club 3 in aller Stiernackigkeit und Halsstarrigkeit an ihrem Vorhaben festgehalten hatte, die Wiener Zeitung zu Tode umstrukturieren zu wollen (einige Beiträge gingen bereits auf diesen TV-Auftritt ein) -, verbreitete sich unter den Anwesenden ein Gefühl, das letzte Wort in dieser Causa sei womöglich noch nicht gesprochen.
Natürlich war der Abend, wie WZ-Redakteur Paul Vescei, der ihn im Grunde organisiert hatte, selbst sagte, „ein Heimspiel": Auf der Bühne und im Publikum waren schließlich nur WZ-Sympathisanten. Zum anderen aber setzte diese Gemeinschaft ein Zeichen: Es gibt nicht viele Anlässe, wo sich so viel kulturelles und gesellschaftliches Potential an einem Abend auf einer Bühne versammelt wie bei diesem.

IMG 2847Durch das Programm führte Astrid Zimmermann, ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Zeitung und Generalsekretärin des Presseclubs Concordia - souverän, ruhig und doch unterhaltsam, wie man es von vielen Abenden im PC kennt. Dabei hasst sie solche Auftritte (behauptet sie jedenfalls). Geboten wurde dann viel Solidaritätsbekundung - mehr als einmal wurde aber auch vermittelt, wie es um die geistige Verfasstheit dieses Landes bestellt sein wird, wenn diese Stimme der Vernunft, der sachlichen, fundierten Auseinandersetzung mit Themen der Zeit vor dem ohrenbetäubenden Marktgeschrei der Fellner & Co verstummt. Miriam Hie, österreichische Moderatorin und Kabarettistin indonesischer Abstammung, erzählte etwa in breitem oberösterreichischem Dialekt von den rassistischen und sexistischen Stereotypen, denen sie im Laufe ihrer Karriere begegnet ist.
Mehrere Beiträge gingen auf die wiederholten Beteuerungen Raabs und Blimlingers ein, die WZ werde ja gar nicht eingestellt, sondern „ins Digitale" transferiert. Die Zukunft der Medien liege im Digitalen, hatte Raab im Club 3 verzapft, „und diesen Weg bestreitet nun die Wiener Zeitung". Nicht zuletzt Alt-HBP Fischer bezeugte deutlich Widerwillen, diesen Schmäh zu fressen.
Robert Menasse wiederum hatte es das Wort „bestreitet" angetan - schließlich erlaubt es ja auch eine antagonistische Deutung von Raabs Plänen. Und genau in diesem Sinn verdrehte der Autor in seinem von Cornelius Obonya (angeblich ohne irgendeine besondere Vorbereitung) fulminant gelesenen Text der „Medienministerin" das Wort im Mund in dem Sinn, dass sie de facto voll und ganz für den Fortbestand der Wiener Zeitung als Tageszeitung eintrete.
Bildschirmfoto 2023 01 23 um 17.30.59Severin Groebner, der für die Solidaritätsveranstaltung seinen Solo-Auftritt an diesem Abend in der Kulisse geopfert hatte, zähle auf, was in Wien jünger ist als die WZ: das Riesenrad etwa, alle Ringstraßenbauten, selbst die Karlskirche. „Das schafft man ja auch nicht ab. Man könnte ja sagen, Oida, es gibt Spielkonsolen - wozu brauchen wir das Riesenrad?! Und wir haben Globuli - wozu brauchen wir die Karlskirche?" Und eine gleichermaßen kurze wie unglaublich treffende Grußbotschaft schickte der Autor und so erfolgreiche wie umtriebige Musiker Ernst Molden: „Eher würde ich die Lippizaner auf der Alm auswildern als die Wiener Zeitung einstellen." Die ideel beste Idee wiederum äußerte Kabarettist Florian Scheuba: Die Regierungsinserate für die Fellner-Krawallblattln der Wiener Zeitung zu geben und die dann gratis in den Öffis verteilen.

* Weibliche Form mitgemeint bzw., falls a priori nicht vorhanden, angedacht