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13 Dez
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Schlussstrich nach einem Vierteljahrhundert

Christian Rainer gibt nach 25 Jahren die Chefredaktion von profil ab. Eine nicht immer adäquat gewürdigte Ära im Magazin geht zu Ende. UPDATE.

 

Affären, bisweilen eigenwilliges Styling, ein Hauch von Glamour, nicht zu vergessen der Ferrari. Das war die eine Seite von Christian Rainer. Ein vorbildlicher, stets rasch und substanziell ergiebig auf Anfragen antwortender Gesprächspartner - das war eine ebenso evidente, nur öffentlich weniger bemerkte Seite des gebürtigen Gmundeners, die gleichwohl Professionalität und Einsatz bezeugte. Unweigerlich ist diese Seite Rainers in den letzten Jahren, nicht zuletzt forciert durch seinen unermüdlichen Einsatz bei TV-Diskussionen (Club 3, Runde der Chefredakteur*innen, Schau TV) und in hörenswerten Podcasts zur (innenpolitischen) Lage der Nation, mit den Jahren stärker in den Vordergrund getreten. Und schon seit ewig und drei Tagen war er der längstdienende Chefredakteur des Magazins profil - jenem heiklen redaktionellen Biotop, den ein Peter Michael Lingens - der als Herausgeber hier ebenso an Widerständen gescheitert ist wie ein Peter Rabl - einen „Flohzirkus von Primadonnen" genannt hat. 25 Jahre werden es nächstes Jahr, die er als Herausgeber und Chefredakteur das immer noch wichtigste wöchentliche Nachrichtenmagazin des Landes als Geschäftsführer und Herausgeber geleitet und wieder als unverzichtbaren Bestandteil des öffentlichen Diskurses etabliert hat. Möglich, dass der 61jährige, der heute seine Rückzug aus der profil-Redaktion angekündigt hat, das Jubliläum sogar noch in Amt und Würden begeht, denn sein/e Nachfolger*in als Chefredakteur*in steht ja noch nicht fest, und Rainer hat gegenüber den Salzburger Nachrichten die Absicht bekundet, erst dann zu gehen, wenn seine Nachfolge ordentlich geregelt ist. Ebenso unsicher ist, ob er die Herausgeberschaft behalten wird.
Was man weiß und zuerst das Standard-Medienportal etat.at gemeldet hat, ist, dass Richard Grasl von Thomas Kralinger die Geschäftsführung des profil übernimmt. Grasl, ein astreiner, wenngleich vergleichweise moderater und inhaltlich bisweilen differenzierungsfähiger ÖVP-Mann, der einst als schwarzer Kandidat um den ORF-General gegen den heutigen Rapid-Präsidenten Alexander Wrabetz den Kürzeren gezogen hat und nunmehr beim profil-Eigentümer Kurier die Stelle des stellvertr. Chefredakteurs bekleidet, steht vor einer wirtschaftlich herausfordernden Situation.
Auf Twitter wiederum herrscht etwas ... Verwunderung über seine Bestellung zum profil-GF.

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Update: Eine Art Nachruf aus der Redaktion

Dass Christian Rainer ein „etwas anderer" Chefredakteur eines Unternehmens war, vermittelt auch die heutige profil-Morgenpost von Kultur-Chef Stefan Grissemann: „Der angekündigte Abschied des profil-Chefredakteurs Christian Rainer sorgte gestern redaktionsintern für mehr Besinnlichkeit, als die eskalierende Weihnachtsstimmung zu mobilisieren imstande wäre", schreibt er gleich in den Vorzeilen. Sein Text erzählt, dass Rainer es nie notwendig gehabt habe, den Chef herauszukehren und die Macht der Hierarchie aufzurufen - da kennen wir ein paar in der Branche! - sondern stets auf kollegiale Zusammenarbeit gesetzt habe. Und: „Vor allem garantierte Christian Rainer die redaktionelle Unabhängigkeit des profil von Politik, Wirtschaft und Eigentümern."

Ja, dieser Abgang stimmt etwas melancholisch.