Verfassungswidrige „Freundeskreise" und politische Seilschaften Screenshot arminwolf.at
15 Mär
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Verfassungswidrige „Freundeskreise" und politische Seilschaften

ORF-Moderator Armin Wolf enthüllt in seinem jüngsten Blog, dass er in einem Unternehmen mit verfassungswidrigem, allerdings gesetzlich verbrieftem übergroßen Einfluss der Regierungsparteien arbeitet. UPDATE: Stiftungsrat Lockl äußert sich.

 

In regelmäßigen Abständen wird die Forderung laut, die politischen Parteien mögen sich aus dem ORF heraushalten. Das ist nett, treuherzig und ungefähr so realistisch wie dass Wladimir Putin wegen internationaler Kritik seine Truppen aus der Ukraine abzieht. Jetzt allerdings kommt just von einem der Aushängeschilder des Unternehmens, nämlich ZiB 2-Moderator Armin Wolf, ein ziemlich aufsehenerregender Akt: In seinem persönlich Blog schreibt er am 13. März unter dem ironischen Titel „Verfassungswidrig - na und?", dass das bei weitem einflussreichste ORF-Gremium, der Stiftungsrat, seit 2002 zwar gesetzlich legitimiert, aber verfassungswidrig stark mit Vertretern der Regierungsparteien besetzt ist.
Wolf beruft sich bei diesem Befund auf Christoph Grabenwarter, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, der auch als Experte für Rundfunkrecht bekannt ist. Als solcher weiß er, dass die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) fordert, es müsse „Vielfalt im Rundfunk“ gewährleistet sein. Aus diesem Grund sei zu verhindern, dass eine gewichtige politische oder ökonomische Gruppe eine dominante Position in der Lenkung eines (öffentlich-rechtlichen) Rundfunkunternehmens einnimmt. Diesen Grundsatz sieht Grabenwarter in der Zusammensetzung des Stiftungsrates, der bekanntlich u.a. den ORF-Generaldirektor bestimmt, verletzt. Und da die EMRK auch Teil der österr. Verfassung ist, sieht der hochrangige Jurist damit auch diese verletzt.

Der 35köpfige Stiftungsrat wird nach folgendem Schlüssel besetzt:

Neun Räte durch die Bundesregierung
Neun Räte von den Bundesländern
Sechs Räte von den Parteien im Nationalrat
Sechs Räte aus dem ORF-Publikumsrat
Fünf Räte durch den Betriebsrat

„Logischerweise werden die neun Stiftungsräte der Bundesregierung von den jeweiligen Regierungsparteien ausgewählt. Außerdem – da die Regierungskoalition die Mehrheit im Nationalrat stellt – mindestens drei der sechs Partei-Stiftungsräte. Und alle sechs Vertreter aus dem Publikumsrat. Diese werden zwar formell im Publikumsrat nominiert, aber der Bundeskanzler darf laut Gesetz praktisch freihändig 17 der 31 Publikumsräte bestellen. Diese Mehrheit bestimmt dann die sechs Abgesandten für den Stiftungsrat. (Seit das ORF-Gesetz gilt, wurden diese sechs Sitze stets halbe-halbe zwischen den jeweiligen Koalitionsparteien aufgeteilt.)", erklärt Wolf in seinem Blog und rechnet zusammen:
„9 + 3 + 6 = 18"
Praktisch kämen auch noch die Nominees der Landeshauptleute, von denen auch etliche der große Regierungspartei angehören, hinzu. „Nur auf die fünf Betriebsrats-Mandate hat die Regierung nicht mal theoretischen Einfluss", schreibt Wolf mit einem Schuss Sarkasmus.
Dieser Vergabemodus ist praktisch nicht auszuhebeln, wie Wolf im Folgen aufdröselt. Es ginge de facto nur, wenn die Politik von sich aus Schritte unternähme, um ihren Einfluss auf den ORF zu verringern. Und das ist so realistisch wie ... siehe oben.

Update: Auf etat.at, dem Medienportal des Standard, äußert sich zumindest Lothar Lockl, der Sprecher des grünen Freundeskreises im Stiftungsrat, zu den Aussagen Wolfs bzw. Grabenwarters. Lockl betont zwar wort- und bildreich die seinem Dafürhalten nach hohe Kompetenz des Srtiftungsrates, räumt aber Reformbedarf beim ORF-Gesetz ein. Der rote Freundeskreissprecher Heinz Lederer sieht dringendere Probleme; der türkise, mächtigeste und einflussreichste Freundeskreissprecher Thomas Zach äußerte sich nicht.