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Dasch, Lammerhuber, Kraus, Russ, Kahlweit, Kaltenbrunner (v.L.). Dasch, Lammerhuber, Kraus, Russ, Kahlweit, Kaltenbrunner (v.L.). Screenshot
12 Okt
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Medienförderung nach Gutsherrenart

Die ungustiöse Kurz-Fellner Liaison hat die Debatte um Inseratenkorruption wieder aufgeheizt. Gestern diskutierte darüber ein Podium im Presseclub Concordia.

Es ist nicht so, dass in Österreich das Thema Inseratenkorruption nie erörtert worden wäre. Aber allzu viel Eifer legen bestimmte Medien und Teile des Medienjournalismus nicht wirklich darin, die Debatte im öffentlichen Bewusstsein präsent zu halten.
Das Medienhaus Wien hat mit seiner bislang zweiteiligen Studie „Scheinbar transparent“ über die üppige Inseratenvergabe der Regierung und öffentlicher Stellen an die drei österreichischen Boulevardhäuser, insbesondere an die Mediengruppe Österreich, einige Aufmerksamkeit generiert - genug jedenfalls, um das Bundeskanzleramt zu einer Reaktion zu motivieren, die in etwa besagte, es gäbe doch eine Formel, nach der Regierungsinserate vergeben würden.
Freilich wussten weder die Öffentlichkeit noch Medieninsider von dieser rätselhaften Formel, wie MHW-Chef Andy Kaltenbrunner gestern im Presseclub Concordia erzählte. Erst nach und nach haben sich bestimmte Determinanten aus der Gemengelage für diese ominöse Formel herausgeschält und es hat sich gezeigt, dass durch sie in erster Linie Auflagen gefördert werden. „Man kann über die Sinnhaftigkeit, die Menge bedruckten Papiers zu fördern, eventuell diskutieren“ spöttelte Kaltenbrunner. „Am Ende kommt jedenfalls heraus, dass Gratismedien und ganz besonders die Mediengruppe Österreich durch diese Formel bevorzugt werden.“
Mittlerweile ist, nach der Affäre um eine Gefälligkeitsberichterstattung zugunsten des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz in der Tageszeitung Österreich, der Aufklärungsdruck um die Vergabepraxis öffentlicher Inserate groß geworden. Also erörterte ein hochkarätiges Expertenpodium, das unter der Gesprächsleitung von PC-Generalsekretärin Daniela Kraus neben Kaltenbrunner die Ösi-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Cathrin Kahlweit, den langjährigen Chef der Mediagenturen MediaCom und GroupM Austria, Peter Lammerhuber, sowie die Verleger Eugen Russ (Vorarlberger Nachrichten) und Max Dasch (Salzburger Nachrichten) an Bord und große heimische Journalismus-Persönlichkeiten wie Andreas Koller (SN) und profil-Herausgeber Christian Rainer im Publikum hatte. Einziges - und für solche Veranstaltungen typisches - Defizit: Vor den Personen und Institutionen mit dem größten Erklärungsbedarf - also den politischen Entscheidungsträgern und den Medien, die am stärksten von ihrer Vergabepraxis profitieren, sprich den Boulevard-Titeln, ließ sich niemand blicken. Der ehemalige Rockstar Gerald Fleischmann, der als Medienbeauftragter des Bundeskanzlers ebenso wie dieser selbst kürzlich aus seinem Amt zur Seite getreten ist, hatte, wiewohl schon lange vor seinem Sidestep eingeladen, beschlossen, den PC Concordia mit seiner Anwesenheit zu verschonen; detto Wolfgang Fellner oder einer seiner Mitbewerber von Krone und Heute.

Somit wurde der Abend zu einer Aufzählung, was medial faul ist im Staate Österreich und seiner besonderen Form der Presseförderung. „Der österreichische Medienmarkt ist strukturell zu klein, als dass alle Titel durch Werbung finanziert werden könnten“, konstatierte Lammerhuber. „Noch dazu, wo er digital keine Bezahlschranken kennt (was nicht mehr ganz den Tatsachen entspricht, Anm.). Ich bin überzeugt, dass Qualitätsmedien hinter Bezahlschranken gehören. Es kann nicht Aufgabe der Werbewirtschaft sein, Qualitätsmedien zu fördern.“
Bildschirmfoto 2021 10 12 um 15.05.54„Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, dass wir nach anderen Erlösströmen schauen müssen“ räumte Russ ein. „Und derzeit haben wir das Problem, dass die Politik nicht Qualitätsmedien fördert, sondern Werbeträger. Man muss das immer wieder deutlich machen: Wir haben 8 Millionen Euro (offizielle Presseförderung, Anm.), deren Vergabe gesetzlich gereglt ist und von einer Kommission überwacht wird - und dem stehen 300 Millionen gegenüber, die nach Gutsherrrenart von der Politik an die Medien vergeben werden. Möglicherweise erwartet die Politik ein bisschen mehr als nur Reichweite, vielleicht erwartet sie auch eine ihre genehme Berichterstattung.“
Dasch ortete einen Teil in einem Überschuss an öffentlich-rechtlichen und kostenlosen Angeboten und forderte mehr Wertschätzung für Journalismus.
„Dazu muss ich erst mal guten Journalismus produzieren!“, versetzte, wohl wissend, dass sie damit womöglich ihren Sympathiewerten keinen guten Dienst erweisen würde, Kahlweit. „Ich kann nicht guten Journalismus machen, wenn ich totgespart werde.“
Was die Interventionitis aus dem Kanzleramt angeht, relativierte Andreas Koller, der neben seiner Funktion als stv. CR der Salzburger Nachrichten auch Präsident des Prsseclubs Concordia ist: „Ja, der Fleischmann hat angerufen, und auch der gewesene BK hat angerufen. Aber das heißt nicht, dass diesen Interventionen nachgegeben wurde. Man soll die Legendenbildung nicht zu weit treiben, dass in Österreich das BKA bestimmt, was in der Zeitung steht.
Bildschirmfoto 2021 10 12 um 15.10.40Kaltenbrunner legte abschließend einen validen Leitfaden in die in Österreich besonders kontrovers diskutierte Qualitätsfrage: „Im übrigen bin ich der Meinung, dass man journalistische Qualität sehr wohl definieren kann. Wer behauptet, man könne Qualität nicht definieren, hat seine Gründe dafür.“

 



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