Fritz Hausjell über die nächste ORF Generals-Funktionsperiode Fritz Hausjell über die nächste ORF Generals-Funktionsperiode ORF/Thomas Ramstorfer/Schreiner-Kastler Bild Hausjell: Miel Satrapa
19 Jul
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ORF-General: Möglichst wenig gefallen

Mitten im Hochsommer ist es soweit: Im August entscheidet sich, wer den Öffentlich-Rechtlichen die nächsten fünf Jahre durch die Medienlandschaft führen soll.

BranchenBlatt bat Player aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, ihre Sicht auf die nächste Periode und die beherrschenden Themen zu verraten.
Als wesentliche Voraussetzung des nächsten Generaldirektors sieht etwa Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell die Eigenschaft, möglichst wenig zu gefallen. Und zwar nicht nur der Regierung, sondern auch der Opposition. „Denn ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss eine kritisch-konstruktive Distanz zu Regierungs- und Oppositionspolitik sowie zu anderen Machtzentren in allen Bereichen der Gesellschaft einnehmen. Eine von der Regierungspolitik „steuerbare“ Generaldirektion wäre eine Katastrophe für den ORF - und für uns Mediennutzer*innen“, verdeutlicht er seine Sichtweise.
Wichtiger als die Person sei jedoch das Thema, das die nächste Periode beherrschen werde. Und das laute: digitale Transformation. Einiges hat man dort ja bereits vorbereitend umgesetzt: Die TVthek, die Radiothek, Podcasts oder auch das Nachrichtenportal. Der ORF-Player scharrt sozusagen bereits in den Startlöchern. Nun gehe es jedoch darum, auch die gesetzlichen Fesseln zu lösen. „Die Medienpolitik hat zu Beginn der Marktöffnung im TV-Bereich den ORF im Digitalbereich eng gefesselt: Er musste das renommierte Digitalportal Futurezone verkaufen, durfte jahrelang nicht auf Facebook, darf weiterhin seine Radio- und TV-Angebote nur 7 Tage online bereithalten, er darf kein digitales Netzwerk mitbetreiben usw.
Im TV-Bereich ist das duale System längst Realität, die größte Privatsendergruppe Pro7Sat1Puls4ATV hat einen ähnlichen Marktanteil wie der ORF. Doch die Medienpolitik „vergaß“ die digitale Knebelung des ORF aufzuheben. Wie soll unter diesen Bedingungen ein öffentlich-rechtlicher Anbieter junges Publikum ausreichend adressieren können?
Wer auch immer am 10. August mit der Generaldirektion der Jahre 2022 bis 2026 beauftragt wird: Ihr oder sein Erfolg wird wesentlich davon abhängen, ob die Medienpolitik endlich ihre Hausaufgaben macht und dem öffentlich-rechtlichen Medienanbieter ausreichend Luft für eine zeitgemäße Entwicklung verschafft“, postuliert der Kommunikationswissenschafter.
Dem auch noch ein anderes Projekt vorschwebt, an dem der Öffentlich-Rechtliche federführend mitarbeiten könnte. Und zwar die Schaffung eines European Public Open Space im Internet. „Denn die europäische Politik braucht auch eine entsprechende Öffentlichkeit, in der - im Gegensatz zu den US-dominierten digitalen Kanälen - nicht aus Profitgründen die Algorithmen die extremen Positionen pushen, sondern jede Stimme gleich zählt und die persönlichen Daten geschützt werden“, ist sich Hausjell sicher.
Schwierig bleibt dagegen die Frage der Unabhängigkeit. Dass eine Regierungspartei im Stiftungsrat wesentlich stärker bestimmen kann, als es dem Ergebnis der Nationalratswahl entspricht, bleibt demokratiepolitisch bedenklich. Die betreffenden Stiftungsräte müssten sich immer wieder klar machen, dass sie in diesem Falle die gesamte Gesellschaft vertreten würden.
Doch neben den Apellen gäbe es zwei zentrale Punkte, an denen man ansetzen könne. Zum einen die Finanzierung. Hier spricht sich Hausjell klar gegen eine solche über das Budget aus. Damit gerate der ORF zu sehr in die finanzielle Abhängigkeit der Regierung. Ein zweiter Hebel bilde das ORF-Redakteursstatut. Hier gelte es, darauf zu drängen, dieses in den nächsten Gesetzen womöglich noch weiter zu stärken. „Öffentlich-rechtlicher Journalismus muss im höchsten Maß vielfältig in der Information sein und muss die Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber der Politik und anderen Mächten leisten“, verdeutlicht der Kommunikationswissenschaftler. Mit dem Redakteursstatut ist das nicht nur gegenüber der Politik, sondern auch gegenüber dem eigenen Chef möglich, wie man in den vergangenen Jahren durchaus auch gezeigt hat. „Die Redakteursvertreter attestieren übrigens den bisherigen Führungsperioden von Alexander Wrabetz in Summe ein passables bis gutes Zeugnis. Die ÖVP-nahe Vorgängerin Monika Lindner (Generaldirektorin von 2002 bis 2006) hat seinerzeit erheblich mehr Kritik seitens der Redakteursvertretung ausgefasst“, präsentiert Hausjell noch ein Stimmungsbild.

 



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