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Cathrin Kahlweit, Süddeutsche Zeitung Cathrin Kahlweit, Süddeutsche Zeitung Screenshot
13 Apr
geschrieben von 

„Man wird als Volksfeind betrachtet“

Staatliche Verbal-Attacken gegen ausländische Journalisten in Ungarn und Slowenien: Im Presseclub Concordia wurde diskutiert, was dahintersteckt.

Wieder einmal wurde mit totalitären Muskelspielen eine Demarkationslinie überschritten: In Ungarn wie auch Slowenien wurden ausländische Journalisten in Medien persönlich angegriffen. Branchenblatt hat ausführlich berichtet: In Ungarn wurde die profil-Journalistin Franziska Tschinderle im Staatsfernsehen vorgeführt, weil sie bei der regierenden Fidesz-Partei Fragen zu einem Treffen zwischen den Parteichefs Orbán, Salvini und Morawiecki um die Gründung einer rechtsextremen Allianz in der EU gestellt hatte. Auf Twitter wiederum attackierte Sloweniens Premier Janša mit martialischer Metaphorik den ARD-Wien-Korrespondenten Nikolaus Neumaier, weil dieser kritisch über die Medienfreiheit des Landes berichtet hatte. Mit dieser neuen Art von „Diskurs“ setzte sich heute der Presseclub Concordia in einer Zoom-Konferenz auseinander. Drei Auslandsjournalist*innen berichteten, wie es ist, für liberale westliche Medien in Ostereuropa zu arbeiten: Siobhan Geets, die mit Tschinderle im profil das Werden der neuen europäischen Rechtsaußen-Allianz publizistisch begleitet, der von Janza attackierte ARD-Wien-Korrespondent Neumaier sowie Cathrin Kahlweit, die von Wien aus für die Süddeutsche Zeitung als Sonderkorrespondentin über Osteuropa berichtet und sich mit einem kritischen Bericht über das neue Familienbild unter Fidesz den Unwillen der ungarischen Obrigkeit zugezogen hatte.

Geets ortete „Nervosität“ in Ungarn, die sie als eine Reaktion auf eine gewisse politische Heimatlosigkeit nach dem Austritt/Rausschmiss der Fidesz aus der EVP interpretiert. „Ungarische Kollegen sagen, dass eine solche Heftigkeit selbst in Ungarn ungewöhnlich ist.“ Tatsächlich steht für die osteuropäischen Rechtspopulisten und Orbán als ihrem „Leithammel“ viel politischer Einfluss auf dem Spiel: Immerhin will das geplante Rechtsaußen-Bündnis die zweitgrößte Fraktion in der EU werden. „Selbst wenn sie das nicht schaffen, werden sie groß und an Vorsitzposten kommen“, meinte Geets und wies auf einen Paradigmenwechsel in der politischen Geschäftspraxis osteuropäischer Rechtspopulisten hin: „Man ist abgekommen von der Forderung, aus der EU auszutreten und will sie stattdessen von innen umkrempeln.“

Man kann selbstverständlich Ungarn und Slowenien nicht über einen Kamm scheren. „Jansa wackelt ständig, während Orbán und seine Fidesz in Ungarn fest im Sattel sitzen. Da kann man sogar schon von Arroganz der Macht sprechen“, differenzierte Kahlweit. Doch so unterschiedlich die Situation der osteuropäischen Polit-Autokraten und ihrer Länder auch sein mag - ihre Reaktion auf Kritik ist immer die selbe: Ein solche verstoße gegen „nationales Interesse“. „Das ist just gegenüber uns als Auslandskorrespondenten interessant“, bemerkte Neumaier fast amüsiert. „Man wird in Haftung genommen. Wer sich nicht auf die Seite der Regierungen stellt, wird als Volksfeind betrachtet.“

Da - in bemerkenswerter Parallelität der Ereignisse - kürzlich auch in Österreich seitens der größeren Regierungspartei ein demokratiepolitisch nicht unproblematischer, wenn auch furchtbar peinlicher und dilettantischer Versuch unternommen worden ist, auf dem Online-Parteiorgan der ÖVP (Zur Sache) mißliebige Journalisten und Opposition zu diffamieren und Kanzler Sebastian Kurz bekanntlich beste Beziehungen zu Orbán und Janša pflegt, kam am Ende unweigerlich die Frage nach der Orbanität der austriakischen Medienpolitik. Für Kahlweit gehen sich solche drastischen Gleichungen allerdings noch lange nicht aus: „Die österreichische Medienlandschaft hat viele bedauerliche Effekte - aber diese Ähnlichkeit sehen wir nicht.“

 



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