Hinter Kerkermauern Pixabay
02 Apr
geschrieben von 

Hinter Kerkermauern

Komisch ist diese Welt schon geworden. Da will man Sanktionen gegen Russland verhängen. Weil man dort einen gewissen Alexej Nawalny einsperrt.

Gegenüber China, dem man einerseits mit dem grünen oder gelben Pass in Sachen Überwachungsstaat nacheifert, äußert man andererseits Unmut über die Hongkong-Politik. Natürlich nur leise. Immerhin ist China wirtschaftliche Großmacht. Da hält man es lieber wie in den Beziehungen zu den Golfstaaten. Menschrechtsvergehen werden natürlich angeprangert, wenn sie sich in arabischen Staaten abspielen. Aber nicht, wenn sie sich in reichen arabischen Staaten abspielen.
Gemeint ist hier das Verhalten Europas. Und der USA. Des Westens, kurz gesagt. Und dieses Verhalten schmerzt. Es schmerzt, weil es derart heuchlerisch ist. Denn während andere zurecht gewiesen werden, sitzt – nicht mitten, aber doch am Rande – von Europa ein Mann im Gefängnis. Im Hochsicherheitsgefängnis. In Einzelhaft. Sein Verbrechen: Durch seine Plattform wurden schwere Kriegsverbrechen der USA im Irakkrieg aufgedeckt. Zählt eine solche Aufdeckung nicht eigentlich zu den Werten, die der „freie“ Westen vertritt? Nein, wie wir nun lernen mussten.
Zuerst versuchte man es ja mit einer durchaus plausiblen Intrige. Der schwedischen Anklage wegen Vergewaltigung. Julian Assange ist wohl nicht der einnehmendste Mensch und hat sich, wie ihm jetzt klar sein wird, überschätzt. Oder vielleicht, verschätzt. Er hat wohl darauf vertraut, dass die Öffentlichkeit es nicht zulassen würde, dass jemand wegen der Aufdeckung von Verbrechen lebenslang ins Gefängnis gesperrt werde. Der Vorwurf aus Schweden klang auch zunächst ganz gut. Bis sich die angeblich Vergewaltigten zierten, diesen Vorwurf zu erheben. Wie der UNO-Sonderbeauftragte Nils Melzer herausfand, lagen der Anschuldigung massive Manipulationen zugrunde.
Doch die Tat war bereits begangen. Die englische Justiz wollte sich Assange greifen, der vor ihr in die ecuadorianische Botschaft flüchtete. Und dort sein Leben in Einzelhaft begann. Die Amerikaner stellten wie erwartet ihr Auslieferungsbegehren. Die Ecuadorianer warfen Assange raus, der verschwand im Gefängnis. Fast unerwartet wurde das erste Auslieferungsbegehren der Amerikaner abgelehnt. Doch Assange sitzt weiterhin in Einzelhaft im Hochsicherheitsgefängnis. Stört das jemanden in Europa? Nein. Welcher Staat hat seine Stimme erhoben, um dieser Folter ein Ende zu bereiten? Genau. Julian Assange ist ein Vergessener. Ein zweiter Graf von Monte Christo, der allerdings nicht mehr das Glück haben dürfte, bei seiner Flucht auf unermessliche Reichtümer zu treffen. Er geht gerade vor die Hunde. Da ist es eigentlich auch schon egal, ob in einem englischen oder amerikanischen Kerker. Es interessiert sowieso Niemanden.

 



Unterstützen Sie BranchenBlatt!

 

Werden Sie Teil des Projektes! BranchenBlatt als Medien-Start-up hat die Krise besonders getroffen. Mit Blut, Schweiß und Geld stehen wir aber hinter dem Projekt. Weil wir der Überzeugung sind, dass der eingefahrene Markt in diesem Bereich dringend frischen Wind benötigt. Und dass unabhängige Berichterstattung ohne Verhaberung der gesamten Branche mehr Glaubwürdigkeit und Gewicht verleiht. 

Unterstützen Sie Ihr neues BranchenBlatt dabei! Wir sind weiterhin bemüht, seriöse und spannende Nachrichten zu liefern. Doch in Zeiten wegfallender Werbeeinnahmen wird die Aufgabe nicht leichter. Sie können für BranchenBlatt in den Ring steigen und mit Ihrer Spende zu einem neuen Mediendiskurs in der Branche beitragen!

 

paypal me 300x140