Redakteurssprecher Dieter Bornemann Redakteurssprecher Dieter Bornemann ORF/Thomas Jantzen
05 Jun
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Diskussion um ORF-Gesetz

Es gehört wohl zu den Skurrilitäten in diesem Land. Die Regierung verabschiedet sich, damit auch ihr medienpolitisch wichtigstes Vorhaben: Das ORF-Gesetz.

Zumindest ein Jahr dürfte es verschoben werden. Doch die Diskussion darüber gewinnt neue Fahrt. Und zwar ausgerechnet durch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Er rechnete in einem Standard-Interview mit der FPÖ ab, vergaß dabei nicht, deren Stiftungsrat Norbert Steger zu loben und – machte sich für ein rasches ORF-Gesetz stark. Seine Kalkulation: Mit diesem würden die Beschränkungen des Öffentlich-Rechtlichen in den digitalen Medien wohl aufgehoben.
Jetzt ziehen seine Redakteure nach. Zuerst rechnen sie mit der letzten Regierung ab, besonders mit der FPÖ. Deren Pläne, so die Redakteursvertreter, den ORF zerschlagen hätten. Würden sie umgesetzt werden, müssten wohl Teile des ORF eingespart, Sender abgedreht werden.
Doch Breitseiten gibt es für alle politische Richtungen. Für einen starken ORF seien die Parteien dann, wenn sie die Oppositionsbank drücken, beobachteten die ORF-Journalisten. Kaum sei eine Partei in Regierungsfunktion, versuche man, den Öffentlich-Rechtlichen für sich zu vereinnahmen, bei Personalentscheidungen mitzureden und kritische Stimmen an die Kandare zu legen.
Für ein Ende dieser Kultur sollte laut den Redakteuren das neue ORF-Gesetz stehen. Das ihrer Meinung ebenfalls schnell aufs Tapet gehöre. Ansonsten: Alles beim Alten, nur mehr Freiheiten in den digitalen Medien. Und: Mehr Geld fürs Programm.


Die Vorschläge des Redakteursrat für ein neues ORF-Gesetz im Wortlaut:
1.) Eine parteiunabhängige Finanzierung des ORF muss auch in Zukunft gesichert sein. Zeitgemäße Beitragsmodelle, die den Entfall der Gebührenbefreiung refundieren und die Schließung der sogenannten „Streaming-Lücke“ für die Online-Nutzung von ORF-Programmen müssen ernsthaft diskutiert und evaluiert werden.
2.) Der ORF muss zukunftsfit aufgestellt werden: Die gesetzliche Regelung, die es verbietet, Inhalte länger als sieben Tage dem Publikum anzubieten, muss abgeschafft werden. Dem ORF muss es auch erlaubt sein, das junge Publikum mit Inhalten zu erreichen, die für Online produziert werden. Nur wenn wir neue technische Möglichkeiten nutzen können, bleibt der ORF als Medium auch für Jugendliche interessant und relevant.
3.) Die Landesstudios sind in den vergangenen Jahren durch mehrere Sparprogramme schwer unter Druck geraten. Dabei ist es auch die regionale Berichterstattung aus den Bundesländern, die das ORF-Programm für viele Österreicherinnen und Österreicher attraktiv und unverwechselbar macht. Daher ist wieder für entsprechende Ausstattung in den Redaktionen zu sorgen.
4.) Wir fordern das Ende der Mitsprachemöglichkeit der Politik bei Postenbesetzungen, z.B. der Landeshauptleute bei der Besetzung von LandesdirektorInnen. Statt dessen sollen die Mitbestimmungsrechte der Redaktionen ausgebaut werden.
5.) Wir fordern einen Stiftungsrat, der das Unternehmen im Sinne des Publikums kontrolliert, und nicht die Interessen der politischen Parteien vertritt. Also eine Auflösung der parteipolitischen „Freundeskreise“ im Stiftungsrat. Den Vorsitz muss eine allgemein anerkannte Person führen, die keinerlei politische Schlagseite, dafür aber über ein hohes Maß an Expertise in Medienfragen hat.
6.) Der Stiftungsrat soll sich vor allem aus anerkannten Medien- und Wirtschafts-ExpertInnen zusammensetzen – nach einem transparenten Bestellungsvorgang. Nicht die parteipolitische Zuverlässigkeit sollte das wichtigste Kriterium für die Bestellung sein, sondern das echte Interesse und das notwendige Wissen um die Weiterentwicklung eines wichtigen Medienunternehmens wie der ORF eines ist. Internationale Experten sollten zumindest ein Drittel der Stiftungsräte ausmachen. So könnten etwa fachkundige Vertreter der Schweizer SRG oder von deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern in den ORF-Stiftungsrat einziehen und umgekehrt, ORF-Manager grenzüberschreitend in den Aufsichtsgremien der Sender in den Nachbarländern vertreten sein. Das fördert die internationale Ausrichtung, Kooperation und die Unabhängigkeit von der Parteipolitik. Neben dem Betriebsrat als Belegschaftsvertretung sollte als Vertretung der ORF-JournalistInnen auch der Redakteursrat im Stiftungsrat repräsentiert sein - das wäre ebenfalls ein Schritt in Richtung mehr Unabhängigkeit.
7.) An die ORF-Geschäftsführung appellieren wir, die personellen und finanziellen Ressourcen zu schaffen, die es für Qualitätsjournalismus braucht. Seit vielen Jahren werden die journalistischen Arbeitsplätze reduziert. Wir müssen in die Qualität unseres Programmes investieren und nicht in Formate, die ganz offensichtlich auf „Anregung“ außerhalb des ORF zustande gekommen sind.
8.) Wir fordern untadelige JournalistInnen und Führungskräfte in Managementfunktionen und nicht Personalbesetzungen, die offenbar vor allem mit Wünschen aus Parteizentralen kompatibel sind. Posten-Besetzungen mit der besten Frau oder dem besten Mann für eine Funktion – und nicht in Absprache mit den politischen Kreisen, wer gerade genehm ist.