Österreich hat eine offizielle Presseförderung. Aber die ist, mit nicht einmal ganz 9 Millionen, ein Klacks gegen eine inoffizielle, versteckte, geheime Presseförderung: Jene Gelder, die Zeitungen von offiziellen Stellen, also von Bund und - zumindest in Wien ein Faktor - Stadt-/Landesregierungen bekommen. Das waren in den letzten zwei Jahren (2018 und 2019) insgesamt gut 31 Millionen Euro.
Dabei ist diese Bilanz sogar durch einen Sonderfall beeinträchtigt: Nach dem Platzen der türkis-blauen Koalition verhielt sich die Übergangsregierung unter Brigitte Bierlein äußerst sparsam mit Regierungs-Inseraten. So sank die Summe der Anzeigengelder, die 2019 an Österreichs Tageszeitungen gingen, auf 13,439.000 Mio Euro gegenüber 17,537.000 Mio im Jahr 2018.
Von diesen Geldern gingen über zwei Drittel an die großen Boulevard-Blätter Krone (8,245.000 Mio in beiden Jahren kombiniert), Österreich (6,411.000 Mio) und Heute (6,182.000 Mio). Für die als „nationale Qualitätszeitungen“ eingestuften Titel Der Standard und Die Presse, die Bundesländerzeitungen (mit der bedingten Ausnahme der mit 2,1 Mio noch leidlich geförderten Kleinen Zeitung) und dem überregionalen Kurier blieben mehr oder weniger Almosen.
Das und noch viel mehr zeigt eine neue, von der Moser Holding, Russmedia, Salzburger Nachrichten und Oberösterreichischen Nachrichten unterstützte Studie des Medienhauses Wien (MHW), die unter der Leitung von MHW-Geschäftsführer Andy Kaltenbrunner die Verteilung öffentlicher Inserate in den 14 österreichischen Tageszeitungen (und deren allerdings eher lausig versorgten Portalen) untersucht hat: Zum Beispiel, dass den Ministerien - im Verhältnis zur Leserzahl des jeweiligen Titels (laut MA) - ein Leser von Wolfgang Fellners Zeitung Österreich mit 5,15 Euro am teuersten ist, gefolgt vom Heute-Leser mit 3,89 Euro am Stück. Der drittteuerste ist übrigens der kombinierte Leser der Vorarlberger Nachrichten und der Neuen Vorarlberger TZ (2,80 Euro); vergleichsweise billig kommt den Bund der Krone-Leser mit 2,12 Euro. ÖVP-geführte Ministerien haben zu ungefähr 60 Prozent in Boulevard-Titeln inseriert, FPÖ-geführte (Verkehr, Inneres, Soziales) hingegen zu gut 90 Prozent.
Die Zahlen für solche Offenbarungen hat man aus der sogenannten Transparenz-Datenbank bezogen, wo seit 2012 öffentliche Stellen jedes Quartal ihre Werbegelder an periodische Medien ab einer Höhe von 5000 Euro melden müssen. Allein - transparent sind die Vorgänge der Inseratenvergabe seitens des Bundes nicht wirklich. So trägt denn auch die Studie den neckischen Titel „Scheinbar transparent“ - und unter diesem Motto stand auch die Veranstaltung, in der sie virtuell im Presseclub Concordia präsentiert wurde. Per Zoom-Konferenz erläuterte Kaltenbrunner die Studien-Erkenntnisse und -Ergebnisse und diskutierte sie anschließend unter der Moderation von Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus mit dem Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin, profil-Ipo-Leiterin Eva Linsinger und Hermann Petz, dem CEO der Moser Holding.
Das heißt, richtig diskutiert wurde gar nicht, weil ohnedies alle einer Meinung waren: Es gibt keine klar nachvollziehbaren Kriterien für die Verteilung öffentlicher Inserate. Die Reichweite spielt wohl eine Rolle, Gefälligkeitsberichterstattung scheint jedenfalls nicht von Nachteil zu sein, aber Genaueres weiß man nicht. Aber just klare, verbindliche Richtlinien bräuchte es notwendiger denn je. Doch wurden Zweifel geäußert, ob bei den politischen Entscheidungsträgern ein entsprechender Wille da ist/sei. „Ich glaube, da steckt Absicht dahinter, dass man nicht auf den ersten Blick nachvollziehen können soll, wie viele Millionen an welche Blätter gehen“, mutmaßte Linsinger. „Man darf bei alldem nicht vergessen: Das ist ja Steuergeld! Das ist eine massive Wettbewerbsverzerrung und in Europa schon eine sehr außergewöhnliche Situation. In vergleichbaren Staaten gibt es zwar Medienförderung, aber die findet transparent statt, die findet nach Qualitätskriterien statt - wie viele Auslandskorrespondent/innen gibt es, wie groß ist der Kulturteil etc. Nicht so bei dieser österreichischen Sonderform von Medienförderung.“
Gerade die jüngsten medialen Entgleisungen bei der Berichterstattung über das Attentat in Wien sollten, befand die Gesprächsrunde, Anlass sein, die Vergabe von Regierungsgeldern an Qualitätskriterien zu binden. Und: Es wäre nicht falsch gewesen, hätten sich öffentliche Stellen dem Werbeboykott großer Unternehmen gegen Oe24 angeschlossen. „Ich finde es interessant, dass sich öffentliche Stellen in dieser Causa noch nicht zu Wort gemeldet haben“, sagte Karmasin. „Wenn Billa darüber nachdenkt, wo es aus medienethischen Gründen wirbt“ dann kann man das auch vom Bundeskanzleramt erwarten. Es ist ein bisschen peinlich für jede Regierung, wenn Billa schneller ist beim ethischen Reflex“, legte Kaltenbrunner nach.
Petz befand, dass eine „mit Zielen versehene Regierungskommunikation Sinn macht“, mahnte aber auch Verhältnismäßigkeit ein. „Mehr res publica, weniger Public Relations“, forderte Karmasin zum guten Ende.
Link zur Studie hier.