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Erdogan ist selbst ein eifriger Nutzer von Twitter. Annähernd 7000 Tweets hat er bereits abgesondert. Erdogan ist selbst ein eifriger Nutzer von Twitter. Annähernd 7000 Tweets hat er bereits abgesondert. Screenshot
28 Jul
geschrieben von 

Türkei will Soziale Medien an die Kandare nehmen

Will - vorgeblich - Beleidigungen abstellen. Entwurf für ein restriktives Gesetz geht noch diese Woche durch das Parlament.

Recep Tayyip Erdogan mag die Sozialen Medien nicht besonders. Überhaupt nicht besonders. Der Grund: Der Diktator hat mit seinen Spießgesellen von der Regierungspartei AKP zwar einen Großteil der herkömmlichen Medien unter Kontrolle. Nicht aber die unberechenbaren Sozialen Medien. Dem versucht Erdogan nun Abhilfe zu verschaffen: In der Türkei sollen große Soziale Medien wie Facebook, Twitter, YouTube u.a. drastischen Regulierungen unterworfen werden. Noch diese Woche soll ein dahingehender Gesetzesentwurf, der mit den Stimmen der AKP und ihrer rechtsnationalen Partnerin MHP mühelos Annahme im Parlament finden wird, verabschiedet werden. Wie der Tagesspiegel berichtet, beruft sich die türkische Regierung bei diesem Schritt u.a. auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Anbieter zwingt, „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden nach einer Beschwerde zu löschen. 

Anlass des Regulationswerks ist, dass Erdogans Schwiegersohn, Finanzminister Berat Albayrak, auf Twitter beleidigt worden sein soll. Als Ziel des neuen Gesetzes wird denn auch offiziell definiert, die Verbreitung von Beleidigungen und persönlichen Angriffen durch die Sozialen Medien zu unterbinden - nicht aber, Twitter, Facebook, Youtube & Co. ganz zu verbieten.

Vertretung in der Türkei

Der Entwurf sieht vor, dass jedes große Netzwerk fürderhin eine Niederlassung in der Türkei haben muss, deren Vertreter für allfällige (oder unterstellte) Verfehlungen nach türkischen Gesetzen belangt werden können. Sollte sich eine Plattform weigern, eine Vertretung in der Türkei zu implementieren, soll sie durch Drosselung der Zugriffsgeschwindigkeit unbenutzbar gemacht werden.
Verlangt ein türkisches Gericht oder eine türkische Institution, ein bestimmtes Konto zu blocken, muss - so will es das neue Gesetz - das betroffene Unternehmen dem nachkommen. Das würde bedeuten, dass die türkische Regierung die Twitter-Konten von Kritikern im In- und Ausland für die Türkei sperren lassen könnte.
Schon jetzt haben in der Türkei staatliche Organisationen wie das Religionsamt oder die Medienaufsicht das Recht, Internet-Inhalte sperren zu lassen. Schätzungen zufolge ist das bereits mit mehr als 400.000 Internetseiten, 10.000 Youtube-Videos und 7000 Twitter-Konten passiert. Trotzdem bezweifeln Experten, ob es Erdogan dauerhaft gelingen wird, sich die Sozialen Medien dauerhaft untertan zu machen. Grund ist deren Hydra-artiges Wesen: Schließt man eine Plattform, machen an ihrer statt eben eine oder zwei andere auf.