Martina Salomon, Kurier; Andreas Koller, SN Martina Salomon, Kurier; Andreas Koller, SN Screenshot
05 Jun
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Intervention oder

BK Kurz empfand die Berichterstattung mehrerer Zeitungen über seinen Ausflug ins kreuzfidele Kleinwalsertal als verbesserungsfähig und ließ das die entsprechenden Blätter auch wissen. Im Presseclub Concordia wurde diskutiert, was davon zu halten ist.

Am 14.5. in den eher noch frühen Morgenstunden hatte Hubert Patterer einen Anrufer am Telefon, den auch er als Chefredakteur der größten Bundesländerzeitung und zweitgrößten Zeitung Österreichs nicht alle Tage in der Leitung hat: Bundeskanzler Sebastian Kurz höchstpersönlich war es, der der Berichterstattung der Kleinen Zeitung über seinen kreuzfidelen Ausflug ins kreuzfidele Kleinwalsertal einige - wie soll man das nennen? || ja, eben, das ist hier die Frage -„Verbesserungsvorschläge“ anzufügen hatte. Zu Mittag meldete sich Kurz, nach einer Online-Geschichte der Kleinen Zeitung, noch einmal. Mit weiteren „Anregungen“. Patterer reagierte cool und berichtete über die „Hilfsbereitschaft“ des Bundeskanzlers in der „Morgenpost“, die die Kleine Zeitung als täglichen Newsletter an Interessenten verschickt.

Wie sich herausstellte, haben noch mindestens zwei weitere leitende Redakteure, nämlich Kurier-Chefredakteurin Martina Salomon und Andreas Koller, stv. CR der Salzburger Nachrichten, Anrufe von Kurz mit „Korrekturvorschlägen“ bekommen. Das waren drei Viertel der Runde, die in einer Veranstaltung vom Presseclub Concordia per Video-Gespräch das Thema „Blattkritik aus dem Kanzleramt“ diskutierte. Der vierte, Puls 24-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner, ging bei den didaktischen Hilfsleistungen des BK leer aus oder blieb davon verschont - je nach Sichtweise.

Bildschirmfoto 2020 06 04 um 18.52.12Das ziemlich sehr gute Gespräch, das sich in dieser Runde entwickelte, sagte mehr über Message Control und publizistische Macht aus als über Interventionen im engeren Sinn. Deren aggressivste kommen nämlich, wie Salomon unwidersprochen klarstellte, nicht aus der Politik, sondern aus der Wirtschaft, im Falle der Medien klarerweise von Inserenten. Sie geschehen auch, wie Koller mit Zustimmung der anderen Gesprächsteilnehmer einwarf, über die Presseförderung und die Inseratenvergabe durch die öffentliche Hand, die quantitativ Reichweiten und substanziell Gefälligkeitsjournalismus begünstigen. Die Anrufe des Kanzlers hat selbst Patterer nicht als Interventionen empfunden: „Aber man hat gemerkt, dass hier ein Verwundeter spricht.“ Etwas später im Gespräch ging der Kleine-CR ins Detail: „Hier habe ich einen Politiker erlebt, der geradezu obsessiv auf das Bild achtet, das medial von ihm gezeichnet wird. Wenn das, wie er wahrgenommen werden möchte, nicht mit der medialen Zeichnung übereinstimmt, dann wird spürbar, dass er den Boden verliert. Er muss ganz genau wissen wo jemand, der ihn kritisiert, hingehört. Ist der einordenbar? Wenn die Einordnung nicht funktioniert, weiß er nicht genau, wie er mit dieser Kritik umgehen soll. Da wird dann ein Souveränitäts-Leck sichtbar.“

Druck durch Un(verhältnis)mäßigkeit 

Im Zug der Debatte wurden aber auch die Größenverhältnisse von publizistischer Macht offenbar. „Im Wiener Rathaus gibt´s eine Unzahl von Sprechern“, erzählte Salomon. „Was ich jetzt beobachte, ist, dass auch die Sozialpartner ungeheuer aufrüsten. Einer meiner besten Wirtschaftsredakteure ist von der Wirtschaftskammer abgeworben worden. Da denk ich mir: Bauen die dort irgendwelche Gegenredaktionen auf?“„Mit der Kopfzahl derer, die dazu da sind, im Bundeskanzleramt auf Journalisten losgelassen zu werden, könnte man schon eine Tageszeitung betreiben“, schloss Koller an. „Das funktioniert nicht auf gleicher Augenhöhe: Das BKA oder das Wiener Rathaus haben ja ganz andere Ressourcen als wir. Ein durchschnittliches innenpolitisches Ressort besteht aus, sagen wir, 6 bis 8 Personen, aber im Presse- und Informationsdienst (PID) oder im Kanzleramt sind es Dutzende. Das führt dazu, dass viele Medien auf das Foto zurückgreifen, das zum Beispiel aus dem BKA kommt. Wenn der Herr Kurz irgendwohin zu einem Staatsbesuch fliegt, dann kann es sich eine Zeitung gerade noch leisten, einen Redakteur mitzuschicken, aber ganz sicher keinen Fotografen. Da nimmt man dann dankbar das Foto des BKA-Fotografen und sieht eben dann, wie Kurz den Russen oder Frau Merkel die Welt erklärt.“