Situation der Pressefreiheit in Österreich verschlechtert Reporter ohne Grenzen
21 Apr
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Situation der Pressefreiheit in Österreich verschlechtert

Wie die veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit 2020 von Reporter ohne Grenzen (ROG/RSF) zeigt, verliert Österreich erneut zwei Plätze und rutscht vom 16. auf den 18. Rang ab.

An der Spitze ändert sich hingegen wenig: Norwegen und Finnland belegen wie im Vorjahr die Plätze eins und zwei.
Insbesondere in den letzten Monaten der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz und seinem Vize Heinz-Christian Strache vor dem Ibiza-Skandal seien rote Linien in Bezug auf die demokratische Pressefreiheit überschritten worden, erklärte ROG-Präsidentin Rubina Möhring. „Die dezidierte Bevorzugung gewisser Medien und -sektoren durch die Regierung, vermehrte Interventionen in Redaktionen, gerichtliches Vorgehen gegen kritische Berichterstattung, die Versuche des ehemaligen Innenministers (Herbert Kickl [FPÖ], Anm.), das Handy einer Journalistin zu beschlagnahmen“ - dies habe gezeigt, welches Verständnis von Pressefreiheit konservative und rechtsradikale Parteien vertreten, so Möhring.
Nicht zuletzt hätten vermehrte verbale Attacken und ein „Klima der Intellektuellenfeindlichkeit“ zum Verlust der beiden Plätze geführt. Österreich bleibt damit in der gelben Kategorie, die die Situation der Pressefreiheit als „ausreichend“ beschreibt.
Global gesehen verbesserte sich die Lage der Pressefreiheit im Vergleich zum Jahr davor laut ROG minimal. Für den Zeitraum seit 2013 zeigt der globale Indikator jedoch eine Verschlechterung um 13 Prozent an. Immer unverhohlener würden Diktaturen, autoritäre und populistische Regime versuchen, „unabhängige Informationen um jeden Preis zu unterdrücken und ihre antipluralistische Weltsicht durchzusetzen“, sagte Möhring und nannte China, Saudi-Arabien und Ägypten als wichtigste Beispiele für diesen Negativtrend.
Die Auswirkungen der aktuellen Coronakrise flossen in die Punktevergabe (Kalenderjahr 2019) zwar nicht ein, doch wirke diese „wie ein Brandbeschleuniger für autoritäre Tendenzen und repressive Krisenherde“, gab die ROG-Präsidentin zu bedenken. „Zahlreiche Länder, die Scores in der Rangliste verloren haben, gehen zur Zeit besonders aggressiv gegen die demokratische Grundordnung vor“, so Möhring unter Verweis auf Polen und Ungarn, die drei bzw. zwei Plätze verlieren.
Generell ist Europa klarer Spitzenreiter in dem Ranking, so befinden sich nicht nur alle Top-5-Länder (Norwegen, Finnland, Dänemark, Schweden und die Niederlande) innerhalb Europas, insgesamt sind sieben der Top-10 europäisch (Schweiz auf Platz 8, Portugal Platz 10).
Die besten nicht-europäischen Länder sind Jamaika auf Platz 6, Costa Rica auf Platz 7 - beide konnten sich um zwei bzw. drei Ränge verbessern - sowie Neuseeland auf Platz 9. Bis auf Portugal, das statt Belgien in die Top 10 rutschte, bleiben die zehn erstgereihten Staaten gleich. Auf den hintersten Rängen liegen Nordkorea hinter Turkmenistan, Eritrea und China.
Die größten Absteiger sind Haiti, das gleich 21 Plätze einbüßen muss, die Komoren (minus 19) und Benin (minus 17). Die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong verliert nach Monaten prodemokratischer, gegen Peking gerichteter Massenproteste sieben Plätze und liegt damit nur mehr auf Platz 80 der Pressefreiheit. Auch Singapur stürzt um sieben Plätze ab und ist damit erstmals in der schwarzen Kategorie („sehr schwierige Situation“). Nach einem dramatischen Absturz im Vorjahr um 12 Plätze steigt das nach dem Mord an einer Journalistin von Regierungsskandalen gebeutelte Malta auch in diesem Jahr um vier Ränge ab. Die größten Aufsteiger sind Malaysia (plus 22 Plätze), die Malediven (plus 19), der Sudan (plus 16), Bhutan und die Zentralafrikanische Republik (plus 13) sowie Äthiopien (plus 11).
23 von insgesamt 180 Ländern (13 Prozent) wird eine „sehr schwierige“ Situation (schwarz) der Pressefreiheit attestiert. In nur acht Prozent herrscht laut ROG eine „gute Situation“ (weiß), in 18 Prozent - darunter Österreich - ist die Situation „ausreichend“ (gelb). In 35 Prozent der Länder ist die Situation „problematisch“ (orange), in 26 Prozent „schwierig“ (rot).

Reaktionen
Die Opposition nützte die Gelegenheit, um Kritik zu üben. „Das ist das Ergebnis der türkis-blauen Regierung Kurz I. Leider hat sich die Situation unter Türkis-Grün kaum gebessert, wie auch ‚Reporter ohne Grenzen‘ kritisiert“, meinte etwa SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda anlässlich der Veröffentlichung des neuen Rankings. Er kritisiert vor allem den Ausschluss von ausländischen Medien aus Pressekonferenzen der Regierung. Ihm ist auch der PR-Apparat der Regierung, vor allem jener von Sebastian Kurz, zu groß. Das lasse Message-Control auch unter Türkis-Grün befürchten. „Ziel muss sein, dass Österreich wieder zu den Ländern mit dem höchsten Maß an Pressefreiheit gehört und zumindest unter die besten zehn kommt. Ich erwarte mir von der Regierung einen Plan, wie wir das erreichen können“, so Drozda.
Eine Folge der Medienstrategie des Bundeskanzlers, der seinem Vorbild Viktor Orban nacheifere, will NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter im aktuellen Ranking erkennen: „Meinungspluralität, unabhängige Medien und freier Zugang zu Informationen sind wesentlich für eine Demokratie. Doch die schwarz-grüne Bundesregierung fährt den Weg der Einschränkung der Pressefreiheit, den Sebastian Kurz zusammen mit der FPÖ gestartet hat, munter weiter. Die bitteren Früchte sehen wir jetzt.“ Neben dem rieseigen PR-Apparat verweist sie vor allem auf die finanzielle Abhängigeit der Medien von der Regierung. Vor allem in der Coronakrise. Daher müsse rasch eine neue Art der Presseförderung auf die Beine gestellt werden.
Zu Unrecht ins Kreuzfeuer geraten sehen sich die Grünen. Deren Mediensprecherin Eva Blimlinger hebt hervor, dass der Bericht nur das Jahr 2019 beleuchtet. Also den Zeitpunkt vor der Regierungsbeteiligung der Grünen. Das habe auch Möhring zum Ausdruck gebracht, verweist sie auf Aussendungen von Reporter ohne Grenzen. „Dass wir an einer nicht nur gesicherten, sondern massiv gestärkten Pressefreiheit interessiert sind, lässt sich aus dem Regierungsprogramm an vielen Stellen des Medienkapitels deutlich ablesen. Dort finden sich ein klares Bekenntnis zur Medien- und Pressefreiheit, das Vorhaben einer Überprüfung der derzeitigen Vergabe- und Förderkriterien sowie der Schutz vor Desinformation“, betont die Grüne Mediensprecherin.

 

apa/red