20 Feb
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Ján Kuciak - ein Jahr danach

Slowakische Journalistin und IPI zeihen eine (Zwischen-)Bilanz. 

Morgen jährt sich die Ermordung des investigativen, für das Nachrichtenportal aktuality.sk tätig gewesenen slowakischen Journalisten Ján Kuciak. Er und seine Verlobte Martina Kušnírová waren in den Abendstunden des 21.2. 2018 in ihrem Haus 60 Kilometer östlich von Bratislava erschossen worden.

8 Menschen wurden in der Folge festgenommen, vier des Mordkomplotts angeklagt: Der Todesschütze und sein Komplize, sowie ein Hintermann und eine Hinterfrau, die den Mord in Auftrag gegeben haben soll, aber nicht als die eigentliche Drahtzieherin gilt. Als dieser wird vielmehr Marián Kočner vermutet. Ein windiger Geschäftsmann und Multimillionär, spezialisiert auf Betrug, die Kunst der Steuervermeidung und in den letzten 20 Jahren in ungefähr jeden Korruptionsfall in der Slowakei verwickelt. Und er ist ein guter Freund des damals regierenden slowakischen Premiers Robert Fico von der sozialdemokratischen SMER-Partei.

 

Mafiösen Verbindungen auf der Spur

Kuciak, der Kollegen bereits als begnadeter Datenjournalist bekannt, aber mit seinen 27 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit noch unbekannt war, hatte sich mit seinen Recherchen wiederholt Kočners Unmut zugezogen. Kočner hatte Kuciak mehrere Male bedroht, in einem  Zuletzt war er war mafiösen Verbindungen der SMER auf der Spur gewesen. Kollegen vollendeten seine letzte Geschichte, die in Übersetzungen um die Welt ging.

Auf öffentlichen Druck ist Premier Fico - ebenso wie Innenminister Robert Kaliňák und Polizeipräsident Tibor Gaspar - bald nach dem Mord zurückgetreten, hat aber einen Nachfolger von eigenen Gnaden, Peter Pellegrini, ins Amt gehoben. Kočner wurde im Juni 2018 verhaftet, weil er Wechselscheine in der Höhe von 69 Millionen Euro gefälscht haben soll. Ob er, eines der prägnantesten Gesichter der Korruption und Wirtschaftskriminalität in der Slowakei, den Mord beauftragt hat und ob es dabei Verflechtungen zu  weiteren Machenschaften gibt, ist noch immer Gegenstand der Ermittlungen, über deren Status Quo Scott Griffen, Deputy Direktor des International Press Institute (IPI) und Beata Balogová, Chefredakteurin der slowakischen Tageszeitung SME, im Pressclub Concordia Auskunft gaben.

Während Griffen sich nach einem Treffen mit den slowakischen Ermittlern optimistisch gab, dass die Ermittler bald ein Ergebnis und eine Anklage präsentieren könne, aber noch am Sammeln von Beweisen sei, relativierte Balogová: „Wir vertrauen dem Ermittlerteam. Allerdings arbeitet dieses Team unter großem Druck, weil Marián Kočner über die Jahre ein großes Netzwerk aus einflussreichen Leuten aufgebaut hat, Verbindungen zur Polizei, zur Anklage und zur Politik hat und es nicht ausgeschlossen ist, dass diese Leute noch immer dort sitzen.“

Die Untersuchungen hätten, so Balogová, eine unglaubliche Menge „Dreck“, der gar nichts mit dem Mordfall zu tun habe, zutage gefördert.   

„Unmittelbar nach dem Mord“, sagt die Journalistin, „haben Fico und andere Politiker gesagt, dieser Mord muss aufgeklärt werden und damit basta. Doch wir glauben, es ist nicht einfach damit getan, den Auftraggeber zu finden, sondern dass auch alle mit dem Mord verbundenen Verbrechen aufgeklärt werden müssen. Wenn aus diesem Mord irgendein Sinn abgeleitet werden kann, dann der, dass alle, die sich mit Bestechung und anderen kriminellen Methoden über das Gesetz stellen, zur Verantwortung gezogen werden.“

 

Transparenz mangelhaft

Um die Transparenz und Informationen zum Verlauf der Ermittlungen sei es aber nicht zumBesten bestellt, lässt Balogová durchblicken. 

„Der Premierminister stellt in den Raum, die Medien würden die Ermittlungen behindern, weil von ihnen Informationen durchsickern und damit die Verteidigung gewarnt wird. Die Wahrheit ist: Wir sind konfrontiert mit einer unglaublichen Vielfalt von Informationen. Manchmal weiß man nicht mehr von welcher Quelle sie kommen, weil so viele Stellen dazwischen geschaltet sind und offensichtlich versucht wird, unsere Aufmerksamkeit von bestimmten Fällen abzulenken. Wenn man schon von Leaks redet: Mir wäre lieber, die Polizei würde Leaks in den eigenen Reihen untersuchen. Wie kann es passieren, dass ein Oligarch, der von der Polizei einvernommen werden soll, zwei Wochen bevor die Vorladung verschickt wird, von sich aus zur Polizei kommt?“.

Die Stimmung in der Slowakei ist Balogová zufolge gespalten. Einerseits habe der Mord an Kuciak Proteste wie seit der samtenen Revolution nicht mehr hervorgerufen. Andererseits sei die verbale Aggression gegen Journalisten so groß wie noch nie. Diesem Zustand ist nicht abträglich, dass der zurückgetretene Premier Fico immer noch über großen Einfluss verfüge und damit in Verschwörungsmedien Stimmung gegen Journalisten macht - die er schon in seiner Amtszeit als „dreckige antislowakische Huren“ und Ähnliches bezeichnete. Allerdings ist es um die Pressefreiheit in der Slowakei - im Vergleich zu anderen Visegrad-Staaten - noch relativ gut bestellt. „Der Unterschied zu Ungarn“, meint Balogová, „ist, dass sich unsere Politiker doch noch darum kümmern, was die EU sagt. Das mag nicht ihr Verhalten ändern, aber sie hören zumindest noch hin.“

 


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