Mehr als 30 Jahre Geschichte: Jetzt geht´s los privat
20 Mär
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Mehr als 30 Jahre Geschichte: Jetzt geht´s los

Ihr letztjähriges Album „Wunderschönes Tier" kombinieren Novi Sad mit einer „best/OFF"(sic!)-Kompilation zu einer schönen Doppel-Vinyl-Edition. Grund genug, neuerlich über diese Band zu reflektieren, von der man in hoffentlich irgendwann nicht mehr festhalten muss, wie unterschätzt sie ist.

 

Bildschirmfoto 2022 03 21 um 00.44.23Es ist eine etwas fiese Ironie Fatimas, dass sich Novi Sads Musik zwar Grenzen entzieht, in keine Schubladen passt, sich in keine Klischees pressen lässt - benennen Sie´s wie Sie wollen -, die Schreibe über sie aber ziemlich stereotyp von Lamentos geprägt ist, dass diese Band nie die ihr gebührende Anerkennung gefunden hat. Auch dieses Portal hat sich schon mal - weniger als ein Jahr ist das her - dieser Sünde schuldig gemacht.
Die gute Nachricht: Vielleicht ändert sich das sogar noch, nach mehr als 30 Jahren Bandgeschichte. Nicht nur erobert die zwischen fünf- und siebenköpfige Unit, deren Name sich nicht nur auf die von der Geschichte heimgesuchte serbische Stadt bezieht, sondern ebenso mit „neu gesetzt" oder „Neuer Garten" übertragen und auch mit dem englischen Wort „sad" assoziiert werden kann, publizistisch gute Adressen wie den Falter oder die Wiener Zeitung, sondern veröffentlicht auch nunmehr beim legendären Indie-Label monkey/Schallter, das insbesondere in der Person ihres Geschäftsführers Walter Gröbchen viel zur Ermöglichung des sogenannten österreichischen Pop-Wunders beigetragen hat. Bei monkey/Schallter sind letztes Jahr zwei Novi Sad-LPs erschienen. Da war zum einen ihr ungefähr zehntes reguläres Album „Wunderschönes Tier": Im Prinzip die erste Full-Length-LP der Band, die ausschließlich Deutsch betextet ist - was wiederum damit zusammenhängen kann, dass diesmal die Inhalte, für die früher hauptsächlich Gitarrist Klaus Schuch aka Paris 1919 und bisweilen auch Sängerin Evelyn Blumenau verantwortlich waren, ausschließlich aus der Schreibwerkstatt des Autors und Sprachspielers Christian Schwetz kamen: Geschichten von, mit und über Wahrnehmungsentgrenzungen mit Titeln wie „Irrenwärter", „Fliegende Schiffe" oder „Fiebermesser", vertont in schlingernden, farbenprächtigen, abwechselnd zügigen oder gravitätischen akkordeonbetonten Arrangements zwischen Chanson, Pop, ost- und südeuropäischen Folkstilen. Eine Auseinandersetzung mit dem Osten war noch nicht so tragisch konnotiert wie sie es heute unweigerlich ist; Gott ist - da sollte bei journalistischen Auskennern etwas klingeln - ein „Kaufmann namens Barbara".
Zeitgleich zu „Wunderschönes Tier" ist ein „best/OFF" erschienen. Die Orthographie ist wichtig, denn aus naheliegenden Gründen wäre ein Titel „Best of" den verschlungenen und verzweigten Wegen der Musik und der Worte durch die drei Dekaden nur unzulänglich gerecht geworden - das leistet vielleicht besser eine 2012 bei Lindo Records erschienene, freilich zwangsläufig die letzten zehn Jahre auslassende Doppel-CD+Buch-Edition „16 Songs 22 Years". Ein Titel „Pest Off" wiederum wäre zwar schön, aber zu unrealistisch gewesen.
Nun sind beide, „Wunderschönes Tier" und „best/OFF" gemeinsam in einer imposanten Doppel-Vinyl-Edition erscheinen.
„best/OFF wurde, wohl aus Gründen der zeitlichen Ökonomie, von ursprünglich 15 Titeln, die die letztjährige Einzelausgabe enthielt, auf 11 gekappt - und die Band selbst empfiehlt, sich besser die ursprüngliche Auswahl anzuhören. So fehlt jetzt zum Beispiel mit Ungargassenland" ein repräsentativer Klassiker, der vorexerzierte, wie sich Pop und collagenhafter Experimental-Gestus wundersam (und -bar) vertragen. Auf der anderen Seite - dem Anliegen der Band, ihren Status Quo über ihre Vergangenheit klarzumachen, also zu zeigen, welche Entwicklung sie zu ihrem aktuellen Stand gebracht hat, wird auch diese Auswahl durchaus gut gerecht. Dass der besagte Status Quo natürlich seinerseits nur ein vorübergehender sein kann, muss bei dieser speziellen Band (hoffentlich) nicht näher betont werden.