Der gebürtige Linzer Wolfgang „Fadi" Dorninger ist seit Jahrzehnten eine der prägenden Figuren der experimental- und avantgardenahen österreichischen Popmusik mit elektronischer Schlagseite. Wegen seines stets hellwachen politischen Bewusstseins und seinem umfassenden Überblick über kulturelle und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge kann man ihn auch mit Fug und Recht als einen ihrer Vordenker bezeichnen. Er hat in den Bands Monochrom Bleu (mehr Pop), Fuckhead (radikaler), Josef K. Noyce und Wipeout (elektronischer) mitgewirkt und tut das bisweilen heute noch. Daneben hat Dorninger aber auch ziemlich tolle Theater-Soundtracks eingespielt und Platten gefertigt, die man als Stadt-, Dorf-, oder Landschaftsportäts bezeichnen könnte: Dem kleinen, aus der Zeit gefallenen Dorf Asten bei Linz hat er solchermaßen ebenso einen stimmigen Soundtrack gegeben wie der litauischen Hauptstadt Vilnius, der südamerikanischen Nasca-Wüste mit ihren rätselhaften, nur aus der Luft sichtbaren Zeichnungen oder der untergegangenen Kultur der Hisatsinom (Anasazi) im Vier-Länder-Eck zwischen Utah, New Mexico, Arizona und Colorado. Als Smiling Buddhas wiederum produziert er für seine base records ziemlich schroffe, ausschließlich elektronische Klangbilder.
Das alles führt Fadi Dorninger heute ab 19.00 Uhr in einem 24-Stunden-Marathon live auf. Kein Witz.
24 Hours nennt sich das Projekt. Die Idee dahinter ist logisch: Corona hat die Musik buchstäblich in Geiselhaft genommen, indem es die Möglichkeiten, sie live zu performen, abgewürgt oder zumindest stark erschwert hat. „Ich will mit den 24 Stunden einfach ein Vakuum aufbrechen. Mir fehlt momentan alles, was mir rund um die Musik so wichtig ist. Laute Musik in engen Räumen, wo die Leute im Groove und zu den Lines einfach einen Erlebnisraum miteinander kreieren. Ich bin künstlerisch als performing artist total vereinsamt, ich WILL MICH beim MUSIKMACHEN wieder in einer Menge spüren, voller Ekstase und im Rausch der Sinne und Körperlichkeit", so Dorninger zu BranchenBlatt. „Ich will aber die 24 Hours auch benutzen um Fragen an die Musiklieberhaber zu stellen, wie es denn weitergehen wird. Ob Musik überhaupt noch etwas aufbrechen kann. Es ist einfach schwer zu verkraften, dass die Musik über die Streamingdienste zu einem Möbel, zu einer Tapete verkommen sind. Kein Album mehr, kein Dialog mehr, nur mehr wischende Finger, die Nummern wegwischen ohne jede Empfindung. Und wenn es keine Tonträger mehr gibt, mit denen man lebt und wächst, wo die Nummern zueinander sich erst nach mehrfachem Hören entblättern, dann fehlt schon eh genug. Und dann brechen mit der Pandemie auch die Aufführungen weg. Ich weine momentan Konzerten nach, wo der Schweiß von der Decke tropfte und die Pads meines Samplers zum Spielen brachte. Und an so viele Abende und Nächte wo viele Menschen im Groove friedvoll verschmolzen sind. Mir fehlt einfach mittlerweile viel zu viel! Ich habe panische Angst davor, dass alles nur mehr flach sein wird, ein Bildschirm."
Ob er wirklich die vollen 24 Stunden durchstehen wird oder womöglich nach 15 Stunden abbrechen und den Rest irgendwann nachholen muss, kann Dorninger selbst noch nicht sagen. Wohl aber, wer ihn begleiten wird: Doppeldoktor Didi Bruckmayr (im Bild links links), bisweilen martialischer Vokalist von Wipeout und Fuckhead, ist mit im Studio, Joseph K. Noyce spielt in originaler Trio-Besetzung, Wipeout spielen live, das gleiche macht Dorninger mit seinem einigermaßen extremistischen und improvisatorischen Projekt DRKMBNT. Das Ganze wird über Vimeo übertragen.
Hier die Daten im Überblick:
• Art der Veranstaltung: Streaming Konzert
• Dauer: 24 Stunden
• Ort: Internet – Streamingplattform: Vimeo
• Stream Live aus dem Sonic Sound Studio in Linz
• Termin: Samstag 26. Februar – Sonntag 27. Februar 2022
• Uhrzeit: 19 Uhr – 19 Uhr MEZ (24 Stunden)
• Veranstalter Wolfgang Dorninger / base [records]
• Ticketverkauf: https://www.base.at/24hours/buy.html
• Ticketpreise: 10.-€ (Stream) / 20.-€ (Stream und 4 Wochen via Vimeo)
• Projektseite: https://www.base.at/24hours/
• Förderer: Linz_sounds 2021 (Kulturamt der Stadt Linz), base[records]
