Eine kleine Sonntagsgeschichte Limbus Verlag
30 Mai
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Eine kleine Sonntagsgeschichte

Der meistgelesene lebende Lyrik-Autor Österreichs hat kürzlich einen neuen Lyrikband veröffentlicht: Klug, bisweilen ein bisserl bizarr und witzig kommentiert Stephan Eibel in „decke weg" eine bekanntermaßen nicht ganz problemfreie Gegenwart.

 

Er ist der meistgelesene lebende Lyrik-Autor Österreichs. Von einem „Dichterfürsten“ oder allsowas hat er indes rein gar nichts. Zart besaitete Gemüter mochten ihn, zumindest früher, sogar für einen Radaubruder gehalten haben. Sein erstes Theaterstück - nur ein Beispiel - wurde bei den Salzburger Festspielen aufgeführt und begann damit, dass er und Joe Berger Salzburg-Beschimpfungen vortrugen. Das war 1982. Heute, mit zwei Herzinfarkten und 68 Jahren Lebensweisheit auf der biologischen Uhr, würde er sowas nicht mehr machen. Frieden gibt Stephan Eibel deswegen allerdings noch lange keinen. Lange hat Eibel den Zusatz „Erzberg“ im Namen getragen: Stephan Eibel Erzberg. Ein Verweis natürlich auf das Wahrzeichen seines Geburtsorts. Ein Gimmick natürlich auch - mit dem aber auch die Stadt Eisenerz gut leben konnte, denn immerhin brachte der Erfolg des Autors gute Werbung. Weil er sich aber immer weniger mit der Mentalität der/vieler Eisenerzer*innen abfinden konnte, lässt Eibel seit ungefähr Jahresanfang den Erzberg weg und fühlt sich jetzt buchstäblich leichter. Leichter ist ihm auch, seit er sich von dem selbstauferlegten Druck, unbedingt schreiben zu müssen, befreit hat. Der Rat der Ärzte und des eigenen Körpers legte das nahe, und zumindest die „große Form“ ist vorderhand kein Thema. So legte er seinen geplanten Roman „Sabine und Thomas“, der bei „einem der renommiertesten deutschsprachigen Verlage“ herauskommen hätte sollen, auf Eis. „Sofort verhaften!“, 2008 im Lehner Verlag erschienen, bleibt sein bis dato letzter Roman - eine recht derbe und lustige Anschauungs„studie“ über die Korrumpierbarkeit auch vermeintlich Aufrechter. Ganz Schluss mit dem Schreiben konnte Eibel natürlich doch nicht machen, und so hat er unlängst den Gedichtband „Decke weg“ veröffentlicht - den dritten in Folge beieibel deckeweg Limbus Lyrik, einer der ersten Adressen für Lyrik in Österreich. Bevor er bei Limbus andockte, hatte er einmal, das war 2012, einen Lyrikband bei Styria veröffentlicht. „Licht aus“ hieß er, und der halbe Witz an der Sache war der ideologische Clash zwischen der konservativ-katholischen Verlagslinie und dem prononciert linken Autor, der mit Hingabe - manchmal wohl auch ostentativ - eine drastische Sprache pflegt und sexuelle Inhalte aufbringt. Was mag der fromme Styria Verlag wohl von Zeilen wie "Gott, wir danken dir / dass die Neger verhungern / und nicht wir“ gehalten haben?

Dass nun das aktuelle „decke weg“ mit gerade mal 94 Seiten besonders schlank ausgefallen ist, ist nicht etwa der Gesundheit des Autors geschuldet. Oder - mittelbar doch. „Ich hab 30 Gedichte rausgehaut, die so mit dem Ton ,Scheiß di nix, streng di net an, sei lässig und pfeif drauf´ daherkamen. Einem, der zwei Herzinfarkte hinter sich hat, nimmt man das nicht ab“, sagte Eibel bei der Online-Präsentation des Bandes Online-Präsentation des Bandes in der Gesellschaft für Literatur im Palais Wilczek.

Deutlich mehr als bisher bedient sich Eibel des Dialekts - was ihm gut steht -, ein bisserl eingebremst hat sich der mit einer Journalistin verheiratete Vater von zwei Töchtern (als Autor) beim Sex, und wie immer tendieren Eibels Gedichte Richtung Aphorismen - lakonischen, klugen, machmal ein bisserl bizarren oder einfach nur tragisch wahren: „ein gebrochenes Schienbein tuat richtig weh / lang / eine gebrochene Rippe höllisch / geht aber vorbei / breaking news schmerzen täglich neu“. Richtig komisch wird´s, wenn Eibel in die Zukunft schaut. Da sieht er sich nämlich, im Rollstuhl sitzend, von den Kindern die Höhenstraße zum Cobenzl hochgeschoben. Von dort wird er „mit einem höllentempo“ die Höhenstraße hinunterrasen - allerdings auch bei der Endstation des 38ers elendslang auf die Kinder warten.

 



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