Wir tachinieren Jaschke
07 Nov
geschrieben von 

Wir tachinieren

Mittwoch Abend eröffnete UHBP Alexander Van der Bellen die Buch Wien, die todsicher wieder mit Rekorden aller Art aufwarten wird. Tolles Show-Programm: Fuzzman.

IMG 0749Falls Sie sich über das Aufmacher-Foto wundern: Das stammt aus dem Show-Teil. Der war eindeutig Höhepunkt des Abends, auch wenn das nur die (so) sahen, die nach dem ganzen Brimborium mit Ansprachen sitzen oder stehen geblieben waren und nicht gleich zu den Vergabestellen kostenpflichtig (Plebs) oder gratis (Presse, „VIPS“, Mitarbeiter) verfügbarer Getränke und Snacks geeilt waren. Zu denen gehörte zum Beispiel Ex-Staatssekretär Josef Ostermayer, der sichtlich amüsiert dem Spektakel folgte, das sich da auf der Bühne breit machte. Sein Cousin zweiten Grades, Fritz Ostermayer, „Generaldilletant“ von eigenen Gnaden, Journalisten-Legende und Leiter der Schule für Dichtung, war in diesem Kontext eher zu erwarten gewesen. Jedenfalls gab Herwig Zamernik alias Fuzzman mit seinen Singin´ Rebels seine unverschämt schlageraffinen und dabei doch schweinecleveren Soul-Pop-Pretiosen im Stil eines durch tausende Auftritte in Dorf-Discos abgebrühten Entertainers. Dass er gleich am Anfang „Haltet Abstand!“ herausbrüllte und mit der Anti-Selbstoptimierer-Hymne „Ich tachiniere“ schloss, gab seinem Auftritt auch eine Art programmatische Rahmung und passte komischerweise auch zu seinen Vorrednern. Wie diese ließ Zamernik keinen Zweifel an seinem Abscheu vor rechtspopulistischen Demagogen offen.

Was immer jetzt oder spätestens zum Abschluss von Österreichs größter Buchmesse an Superlativen verbreitet wird - so viele Bücher wie noch nie, neuer Besucherrekord usw. blablabla: Sie dürfen es alles vorbehaltslos glauben. Jedes Jahr wird die Bude voller. Das ist zumindest in einer Hinsicht echt vorteilhaft: Mit mehr Leuten drin sieht die Halle D, die an sich den Charme eines Lagers für Mehlsäcke ausstrahlt, tatsächlich nach ein bisserl was aus. 

IMG 0745Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte recht, als er in seiner Eröffnungsrede feststellte: „Das ist der einzige Bereich, in dem Wachstum unverdächtig ist.“
Außer den österreichischen Buchhandel, der die Buch Wien veranstaltet, zu komplimentieren, erzählte UHBP, wie er als junger Mann unter den strengen Blicken eines Innsbrucker Buchhändlers D.H. Lawrence´s Roman „Lady Chatterley´s Liebhaber“ gekauft hatte, verriet, dass er Agatha-Christie-Krimis nie zu Ende lese, um einen Grund zu haben, wieder von vorne anzufangen und zitierte Nietzsches „Also sprach Zarathustra“: „Wer kein Adler ist, soll sich nicht über Abgründen lagern.“

thurniArmin Thurnher erzählte in seiner Eröffnungsrede wieder jene Geschichte, die er seit ein paar Jahren so gebetsmühlenartig wiederholt wie früher seinen Spruch „Im übrigen bin ich der Meinung, die Mediaprint muss zerschlagen werden.“
Thurnher warnte also einmal mehr vor der Krise der Kommunikation durch ein unheilvolles Konglomerat aus Sozialen Medien, Boulevard und totalitärer Politik. Ohne das Einwirken Sozialer Medien wäre ein Trump nie Präsident der USA geworden, sagte er. Für Österreichs Medien konstatierte er: „Was wir derzeit haben, sind gesetzlich legitimierte Schmiergeldzahlungen an den Boulevard“ (man beachte die feinsinnige Doppeldeutigkeit des Wortes „Schmiergeld“!). Und was das Gute am Buch ist, wusste er auch zu benennen: „Das Buch hat den Vorteil, seinen Aggregatzustand nicht zu ändern. Jeder, der es in die Hand nimmt, liest dasselbe.“